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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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in Mitleidenschaft gezogen. Es fällt uns schwerer, mit der gleichen Präzision wie in jungen Jahren konkrete Fakten abzurufen, und es fällt schwerer, neue, präzise Fakten abzuspeichern. Der vergleichsweise riesige Schatz an generischem Wissen über die Welt bleibt jedoch unbeschadet erhalten, ja es fällt uns meist nicht mal auf, wie gut im gesunden (alternden) Gehirn diese Form des Gedächtnisses arbeitet, denn sie tut es meist im Verborgenen, da es sich um Routinen, Automatismen oder das Wahrnehmungsgedächtnis handelt.
    Innerhalb des expliziten Gedächtnisses (auch deklaratives Gedächtnis genannt) unterscheidet man zwei Untertypen: Das autobiographische Gedächtnis, in dem Ereignisse aus unserem Leben gespeichert werden, also Informationen darüber, wann etwas mit wem und wo geschah (Quellengedächtnis). Und andererseits das Faktengedächtnis (Wissenssystem oder auch semantisches Gedächtnis), das unser Wissen über die Welt umfasst – klassisches Schulwissen, generelle Zusammenhänge oder semantisch-grammatikalische Kenntnisse. Das Erlernen neuer Fakten oder die Abspeicherung von erlebten Begebenheiten findet in den sogenannten Papez’schen Schaltkreisen der linken und rechten Hemisphäre statt (Abb. 14 und 15).
    Zu diesem funktionalen Schaltkreis, der in vielerlei Hinsicht mitbestimmt, wer wir sind und wer wir werden, was wir erinnern und was wir vergessen, besteht aus dem Hippocampus und dem vorderen Teil des Gyrus cinguli, sowie aus Thalamus und Mammilarkörpern, die tief im Inneren des Gehirns liegen (Abb. 14 und 15).

    Abbildung 14: Papez’scher Schaltkreis
    Seitliche Darstellung einer Großhirnhemisphäre, in der die vier Areale des Pape z ’schen Schaltkreises (Hippocampus, Mandelkern, Thalamus, Gyrus cinguli) eingetragen sind. Die vier Strukturen bilden einen Schaltkreis, der beim Erlernen neuer Informationen unabdingbar ist.
    Hier gibt es jetzt auch eine weitere Funktionseinteilung nach linker und rechter Hemisphäre: Der linke Papez-Kreis (bei Rechtshändern) dient der Speicherung von Informationen, die durch Sprache kodiert werden, während der rechte für räumliche Informationen und Beziehungen zwischen Gegenständen entscheidend ist.

    Abbildung 15: Vernetzungsschema Papez’scher Schaltkreis
    Die Elemente einer Wahrnehmung werden mit Hilfe des Pape z ’schen Schaltkreises gespeichert. Zugleich mit der Verfestigung der Informationen werden auch die neuronalen Verbindungen der Hauptstrukturen des Erinnerns verstärkt.
    Unabhängig von diesen Gedächtnissystemen und der ihnen zugrunde liegenden Strukturen existieren zwei weitere implizite Gedächtnissysteme: das prozedurale Gedächtnis und das sogenannte Priming, zu dem häufig auch das Wahrnehmungsgedächtnis gerechnet wird. Zum prozeduralen oder auch mechanischen Gedächtnis gehören Fähigkeiten wie Rad- oder Skifahren, Saxophon- oder Klavierspielen, überhaupt alles, was mit automatisierten Routinen, dem erlernten Know-how, Gewohnheiten und Abläufen in Zusammenhang steht. Auch Lesen ist eine Fähigkeit des impliziten Gedächtnisses: Wir wissen nicht, wie wir es machen, aber wir haben es mühsam erlernen müssen.
    Das Priming-Gedächtnis könnte man in Ermangelung eines deutschen Wortes so beschreiben: Hat man das Prinzip erst einmal verstanden, lassen sich vergleichbare Aufgaben leichter lernen. Unter diese Lernform fällt etwa die Einordnung von Erlebnissen aufgrund von früheren, vergleichbaren Ereignissen ebenso wie das schnelle Erkennen von Reizmustern, die man schon einmal zu einem früheren Zeitpunkt wahrgenommen hat (Wahrnehmungsgedächtnis). So kann ein Kind, wenn es einmal gelernt hat, wie die abstrakte Form eines Fisches aussieht, auch einen ihm unbekannten Fisch schnell dieser Tiergruppe zuordnen. Zu dieser Lern- und Gedächtnisform gehört der Umstand, dass wir unbewusst andere nachahmen. Wie viele höhere Säugetiere sind Menschen Meister im Nachahmen. Verantwortlich für diese außerordentlich stark ausgeprägte Form des Lernens sind sogenannte Spiegelneuronen in der Großhirnrinde. Spiegelneuronen sind Nervenzellen, die nicht nur aktiv sind, wenn man selbst eine Bewegung ausführt, sondern auch wenn unser Gegenüber eine Bewegung ausführt und man selbst nur passiver Zuschauer ist. Dieses System scheint umso besser zu funktionieren, je vertrauter man mit einer Person ist und je stärker wir eine Person akzeptieren und als authentisch erleben. Soziale Vereinsamung im Alter kann dazu beitragen, dass die Fähigkeit der

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