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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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Ausprobieren ganz neuer Muster, neuer Materialien und neuer Betrachtungsweisen zu tun hat, ist es im Alter die neue Mischung an bekannten Materialien, Mustern und Blickwinkeln, die das Neue ausmachen. Kreativität bedeutet ja, um es mal am Beispiel eines Chefkochs dingfest zu machen, nicht nur, dass man ein ganz neues Gericht aus bisher unbekannten Zutaten zaubert, sondern es kann auch heißen, dass man aus sieben alltäglichen Nahrungsmitteln oder Resten im Kühlschrank ein geniales Mahl zaubern kann.
    Kreativität kann man dem Harvard-Psychologen Howard Gardner zufolge in eine »große Kreativität« und eine »kleine« unterteilen. Zur »großen Kreativität« zählen die weltverändernden Entdeckungen, wie Einstein sie im wissenschaftlichen Bereich hervorgebracht hat, ebenso wie Erfindungen in Technik und Gestaltungen im künstlerischen Bereich. Die »Kreativität im Kleinen« umfasst originelle Lösungsansätze im Alltag eines Menschen, die Fähigkeit, in einer neuen Situation zu neuen Lösungen zu kommen, die in einem bestimmten sozialen Kontext als »sinnhaft« angesehen werden. Auch die Umstrukturierung einer gegebenen Situation in einer bisher unbekannten Art gehört hierhin, etwa Albert Einsteins Überlegungen zur Geschwindigkeit von Licht und zwei fahrenden Zügen, aus denen er schließlich seine berühmte Relativitätstheorie entwickelt hat. Auf die Frage, wie er über Raum und Zeit nachgedacht habe, antwortete der Physiker, dass er sich oft vorgestellt habe, auf einem Lichtstrahl zu reiten – oder neben ihm herzulaufen –, und sich dabei gefragt habe, ob das Licht stehen bleibe, wenn man selbst in Lichtgeschwindigkeit nebenherliefe.
    Beim Finden kreativer Lösungen im Berufs- und Privatleben spielt Erfahrung eine ebenso große Rolle wie Wissen. Beides nimmt mit dem Alter zu, und deshalb sollten wir Kreativität und Alter nicht als Gegensätze denken. Dafür spricht auch, dass mancher altersbedingte Verlust sich positiv auf unsere Kreativität auswirkt: Als latente Inhibition bezeichnen Psychologen die Art von Lernen, die es einem ermöglicht, bestimmte Stimuli als irrelevant zu klassifizieren und sich beim Lösen zukünftiger komplexer Lebensaufgaben weniger stressen zu lassen. Diese Fähigkeit nimmt aber im Alter ab, da das Arbeitsgedächtnis an Leistungsfähigkeit einbüßt. Wissenschaftliche Kreativitätsstudien haben gezeigt, dass bei hoch kreativen Menschen die laterale Inhibition sehr gering ausfällt. Sie sind also oft leichter ablenkbar beim Lösen einer Aufgabe und lassen den Blick auch auf Nebensächlichkeiten schweifen, entdecken dabei aber Ungewöhnliches und Originelles. Wie Studien außerdem belegen, spielt Geschwindigkeit bei kreativen Prozessen keine entscheidende Rolle. Bildgebende Verfahren zeigen, dass kreative Gehirne häufig nicht die direkten, schnellen Verarbeitungsstufen im Gehirn verwenden; vielmehr ist eine größere, weitverzweigte Aktivierung über beide Hemisphären zu beobachten. Kreativität hängt zudem von Fähigkeiten des Stirnlappens ab, und dieser hat auch im Alter noch ein großes Potenzial.
    Postkarte aus dem Leben
    Ein angesehener, bereits pensionierter Experte für Zeitmanagement gibt ein Seminar für Studenten, die Betriebswirtschaft studieren. Folgendes kleines Experiment hat er sich für die Gruppe hoch qualifizierter Studenten ausgedacht: Er nimmt einen leeren Fünf-Liter-Krug mit einer sehr großen Öffnung und stellt ihn auf den Tisch vor sich. Dann legt er nacheinander zwölf faustgroße Steine in den Wasserkrug. Nachdem er ihn bis an den Rand mit Steinen gefüllt hat, fragt er die Seminarteilnehmer, ob der Krug jetzt voll sei. »Ja«, schallt es ihm entgegen. Er fragt: »Wirklich?« Und greift unter den Tisch und holt einen Eimer mit Kieselsteinen hervor, von denen er einige in den Wasserkrug füllt und diesen dann schüttelt, so dass sich die Kieselsteine in die Lücken zwischen den großen Steinen setzen. Erneut fragt er die Gruppe: »Ist der Krug nun voll?« Das Seminar hat verstanden, und einer antwortet: »Wahrscheinlich nicht!« Wiederum greift der Seminarleiter unter den Tisch und zaubert einen Eimer voller Sand hervor. Er schüttet Sand in den Krug, der sich in den Lücken zwischen den großen Steinen und den Kieselsteinen Platz sucht. »Ist der Krug jetzt voll?« – »Nein«, ruft die Klasse. Daraufhin nimmt er einen mit Wasser gefüllten Krug und gießt ihn bis zum Rand in den anderen Krug aus. Fragend schaut er die Studenten an: »Was, glauben

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