Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
war lange krank, aber keiner weiß genau, was sie hatte, und Axel sagt nichts.
«Darf Axel kommen?»
Die Mutter nickt und ruft nach oben: «Axel.»
Der hat schon gewartet und stratzt runter, so schnell er kann. Als Nächstes holen wir Norbert ab und dann Jens und Heike und Susanne. Manchmal kommen auch noch Bernd, Karin und Marina dazu, obwohl die oben am Walsroder Ring wohnen und meist für sich bleiben. Aber heute sind sie heruntergekommen, und wir haben zwei richtig große Mannschaften. Norbert benimmt sich hochnäsig, weil er jetzt Schulkind ist. Dabei kann er nach einem Tag auch nicht viel mehr als wir. Der wird von seinem hohen Ross schon noch wieder runtersteigen.
Heute spielen wir Völkerball. Wir malen mit Kreide die Spielfelder nach, weil es gestern geregnet hat, dann geht’s los. Bevor der erste Ball geworfen wird, ruft Axel schon «Auto!». Wir rennen auf den Bürgersteig und warten, bis die Gefahr vorüber ist. Zum Glück kommen höchstens zwei, drei Autos in der Stunde vorbei. Heike spielt viel besser als Susanne und die anderen Mädchen, sie ist die Einzigste, die mit uns Jungen mithalten kann, auch in anderen Sportarten. Manchmal muss sie von ihrer Mutter gebremst werden, damit die Pferde nicht mit ihr durchgehen, sie ist eine richtig wilde Hummel. Ich freue mich immer am meisten, wenn sie zum Spielen rauskommt. Einmal habe ich das Oma gesagt, und die meinte, ich wäre wohl ein wenig verliebt. Das glaube ich aber nicht.
Nach zwei Stunden sind wir durchgeschwitzt und haben genug. Norbert schlägt vor, in seinem Garten Boccia zu spielen, aber ich bin dagegen, weil er ja nur wieder abkassieren will. Die anderen sind auch dagegen, und wir gehen zum Garagenplatz, Fußball spielen. Auf dem Garagenplatz sind auf der linken Seite drei Garagen, und geradeaus ist eine Mauer, die zu den Garagen dahinter gehört. Weil der Platz ziemlich klein ist, können wir immer nur Zweierkämpfe spielen. Einer schießt den Ball gegen die Mauer, sodass der Ball abprallt, und wenn der andere den Ball zehnmal nicht kriegt, scheidet er aus. Dann ist das nächste Paar dran, bis von allen Paaren die Sieger feststehen und in der nächsten Runde gegeneinander spielen. Die, die warten müssen, setzen sich auf den Stromkasten, oder die Mädchen spielen nebenbei Gummitwist.
Das Haus direkt hinter dem Garagenplatz gehört der alten Frau Rusche. Frau Rusche ist die komischste Bewohnerin in der ganzen Siedlung. Sie ist sehr schmutzig und trägt zerlöcherte Anziehsachen. In ihrem Haus und Garten leben ganz viele Katzen. Der Garten ist verwildert und eigentlich gar kein Garten mehr und ihr ganzes Haus von oben bis unten voller Müll. Voriges Jahr hat es bei ihr gebrannt, und die Feuerwehr ist kaum durchgekommen vor lauter Müll. Dabei ist sie steinreich! Allein in unserer Siedlung gehören ihr vier Häuser! Und wer weiß, wo noch. Ihr toter Mann war Erfinder, daher. Er hat den Apparat erfunden, der dafür da ist, dass beim Tanken kein Benzin mehr überläuft. Seitdem kassiert Frau Rusche von jedem Liter Benzin, der verkauft wird, ihren Teil. Außerdem ist sie so was wie eine gute Hexe: Sie hat ganz unwahrscheinliche Kenntnisse über Gesundheit, dass es schon an Zauberei grenzt. Manchmal sieht sie mich schon von weitem mit stechendem Blick an. Dann weiß ich, was gleich kommt: Wenn ich auf ihrer Höhe bin, fasst sie mir mit ihren Händen ins Gesicht. Sie knetet an meinen Backen herum oder zieht mir die Augenlider herunter oder schaut in meinen Mund. Dadurch kann sie feststellen, was mir fehlt. Ihre Hände sind rissig und schmutzig und riechen nach Kartoffelschalen oder Gras. So wie Frau Rusches Hände riechen sonst keine. Sie sagt dann zum Beispiel, dass mir rote Blutkörperchen fehlen und ich von diesem oder jenem mehr essen soll. Jemand anderes dürfte so was niemals machen, aber wir haben keine Angst vor ihr, und auch die Erwachsenen lassen es zu, weil Frau Rusche harmlos ist und ein guter Mensch und eben steinreich. Wer weiß, was ihr außer den vier Häusern noch alles gehört! Wenn jemand den Ball verschießt, landet der manchmal in Frau Rusches Garten, und wir müssen dann aufs Dach klettern und den Ball wiederholen, was nicht gerade einfach ist, denn Frau Rusches Garten besteht nur aus hohen Hecken und Dornen und Gestrüpp und wilden Beeren.
Der zweitreichste Mann ist Herr Hübner. Ihm gehören zwei Häuser und neben unserem noch zwei andere Garagenplätze. Er trägt wie Opa immer einen Anzug und raucht dicke Zigarren, und er
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