Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
wir genug zu essen und zu trinken haben und kein Krieg herrscht, und ganz am Ende bete ich für die Menschen auf der Welt, denen es schlechter geht als uns. Es ist ganz wichtig, mindestens einmal am Tag mit Gott zu sprechen. Wenn ich etwas Schlimmes gemacht habe, dann bitte ich ihn um Verzeihung und verspreche, mich zu bessern. Es ist nämlich so, dass ich, um den Eintritt in Norberts Garten zu bezahlen oder Süßigkeiten oder Eis zu kaufen, manchmal Opa oder Mutter Geld aus dem Portemonnaie nehme, fünfzig Pfennig oder eine Mark, einmal sogar zwei Mark. Weil ich noch kein festes Taschengeld bekomme und mich nicht mit so viel Geld erwischen lassen darf, habe ich mir einen Trick ausgedacht: Ich sage, dass ich Geld suchen gehe, das andere Leute fallen gelassen oder verloren haben. Dann gehe ich den ganzen Nachmittag auf Suche, und abends komme ich mit dem Geld zurück. Anfangs waren die Erwachsenen misstrauisch, aber jetzt sind sie es nicht mehr. Sie glauben, dass ich ein besonderes Geschick im Geldfinden habe. Man darf es natürlich nicht übertreiben, also höchstens einmal die Woche oder auch nur alle zwei Wochen, je nachdem. Ein richtig schlechtes Gewissen habe ich deswegen nicht, ich finde es auch viel schlimmer, jemandem etwas Böses zu wünschen oder schlechte Gedanken zu haben. Ich freu mich schon auf später, wenn ich in der Schule bin und endlich lesen kann, dann kann ich nach Herzenslust schmökern, soviel ich will, und bin nicht mehr darauf angewiesen, dass die Erwachsenen mir abends vorlesen.
Außenmühle
Heute macht Mutter ausnahmsweise das Mittagessen. Es gibt eine Speise, die sie selbst erfunden und «Scharfes» genannt hat. Sie besteht aus Hackfleisch, Paprika, Zwiebeln, Tomaten und jeder Menge exotischer Gewürze. Für die Großeltern ist das viel zu scharf, immer wenn Mutter Scharfes macht, essen die beiden Matjes. Ich bin eigentlich überhaupt nicht krüsch, aber mit Matjes kann man mich jagen, während sich die Großeltern schon Tage im Voraus auf den Matjes freuen, besonders Oma. Es ist das einzigste Mal überhaupt, dass die Familie unterschiedliche Sachen isst. Zum Nachtisch gibt es Pudding, diesmal wieder für alle. Es klingelt. Norbert und Axel.
«Darf Mathias kommen?»
Weil es noch mal richtig heiß geworden ist, gehen wir zum Schwimmen ins Freibad Außenmühle. Die Tasche mit den Badesachen steht fix und fertig gepackt im Flur. Der Weg zum Freibad führt uns am neuen Einkaufszentrum und den Schrebergärten vorbei. Ich freu mich so, dass ich anfange zu hüpfen. Norbert guckt mich böse an. Er hüpft selber nicht mehr, weil er jetzt ja zur Schule geht und ihm das zu albern ist. Weil Axel trödelt, schmeißt Norbert mit Steinen nach ihm. Erst nimmt er kleinere Kiesel, dann immer größere Brocken. Axel kann erst noch ausweichen, dann erwischt ihn Norbert aber voll am Bein. Axel fängt an zu weinen und lässt sich noch weiter zurückfallen. Plötzlich stratzt Norbert weg, so schnell er kann, weil er Axel abhängen will. Ich weiß nicht, was ich machen soll, eigentlich sollte ich ja Axel Gesellschaft leisten, aber dann renne ich Norbert hinterher. Als ich mich umdrehe, ist von Axel keine Spur. Jetzt kommt auch Norbert mit einem schlechten Gewissen zurückgetrottet. «Wo ist Aggu denn?», tut er unschuldig. Eigentlich müssten wir umkehren und ihn suchen, aber Norbert geht einfach weiter. Mir wird mulmig zumute. Axel ist bestimmt zu seiner Mutter zurück und sagt der alles, und wenn wir zurückkommen, gibt es Ärger.
Die Schlange vor der Kasse ist sehr lang, und als wir anstehen, tut Norbert die ganze Zeit so, als wäre nichts. Eigentlich hat er ja Schuld, aber weil ich mitgelaufen bin, hab ich genauso Schuld. Am liebsten würde ich gleich wieder nach Hause gehen, dann hab ich’s hinter mir, aber ich trau mich nicht wegen Norbert. Die Kassenfrau stempelt endlich meine Zehnerkarte ab, dann geht’s erst mal in die Umkleiden. Hier müffelt es so, dass ich es nur ganz kurz aushalte, sonst wird mir schlecht. Norbert ist am ganzen Körper kalkweiß. Ich bin in diesem Sommer richtig braun geworden, und mein Gesicht ist gesprenkelt von Sommersprossen. Oma sagt, dass das niedlich ist, das finde ich aber nicht. Ich wünschte, ich hätte keine Sommersprossen, und mein Grübchen gefällt mir auch nicht. Entweder man hat zwei Grübchen oder gar keins, finde ich. Aber eigentlich ist es auch egal. Norbert hat schon Fahrtenschwimmer, ich nur Freischwimmer, weil ich mich nicht vom Dreier traue. Ich hab’s
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