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Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmeißer
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frierst.“
    „Nur ein bisschen.“
    „Willst du meine Jacke? Du hast ja schon blaue Lippen.“ Lore fummelte an ihrem Reißverschluss rum.
    „Nee, nee, lass mal. Drinnen ist es ja warm.“
    War es nicht. Es war eisig. Und daran würde sich heute auch nichts mehr ändern, wie uns unsere tieftraurige Direktorin in der Schulaula mitteilte. Die prähistorische Heizung der Schule hatte sich in der Nacht verabschiedet und war heute wohl auch nicht mehr in Gang zu kriegen. Und deshalb musste der Unterricht ausfallen, was der Direktorin offensichtlich wirklich leidtat. Aber damit stand sie allein auf weiter Flur. Denn während alle Schüler aufjubelten, freuten sich auch etliche Lehrer über den geschenkten freien Tag. Allerdings deutlich heimlicher.
    Die ganze Schülermeute setzte sich gleichzeitig in Bewegung. Die jüngeren Schüler rannten wie irre nach draußen und wir älteren schlenderten gut gelaunt Richtung Schulhof. Lore legte dabei ihren Arm um mich.
    „Und? Was machen wir jetzt? In den Coffeeshop? Durch die Stadt bummeln? Shoppen?“ Lore war voller Tatendrang. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich fror bloß und hatte ein schlechtes Gewissen.
    „Du, mir ist echt ganz schön kalt. Ich glaub, ich fahr erst mal nach Hause, mich umziehen und aufwärmen.“
    Ich schämte mich tierisch für diese Notlüge, aber ich konnte den freien Vormittag unmöglich mit Lore verbringen. Sie kennt mich einfach zu gut und hätte irgendwann gemerkt, dass ich ihr was verheimlichte. Und dann hätte sie mich ausgefragt und ich hätte sie womöglich anlügen müssen. Und das wollte ich nicht.
    Lore sah enttäuscht aus.
    „Soll ich mitkommen?“, fragte sie.
    „Nein!“, rief ich – ein bisschen zu heftig. „Ähm … Ich … ich muss doch mein Zimmer … ähm … fertig einrichten, weißt du? Und das ist so winzig, das muss ich alleine machen.“
    „Ah, na klar. Das verstehe ich“, sagte Lore, der ich ansah, dass sie misstrauisch war. „Telefonieren, heute Nachmittag?“
    „Heute Abend wäre besser. Ich will unbedingt das Zimmer fertig kriegen.“
    „Gut. Dann heute Abend.“
    An den Fahrradständern verabschiedete ich mich von Lore und ging weiter zur Bushaltestelle, nicht ohne mich immer wieder umzuschauen. Aber Marvin schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
    Mein Zimmer sah schrecklich aus. So als würde ich schon seit Jahren darin hausen, ohne auch nur ein einziges Mal aufgeräumt zu haben. Das musste man auch erst mal hinkriegen. Aber in diesem Saustall wollte ich Marvin auf keinen Fall empfangen. Sofort begann ich mit dem Aufräumen. Das heißt, erst legte ich Davids CD in die Anlage. Zum Aufräumen brauchte ich Musik. Und außerdem musste ich die CD endlich mal hören. David würde mich mit Sicherheit bald löchern, was ich vom Meisterwerk der Fröhlichen Pessimisten hielt. Gar nichts. Die Musik war schrecklich. Der Schlagzeuger trommelte irgendwas, nur keinen Takt, die Gitarren fiepten und kreischten mit dem Sänger um die Wette. Und die Texte hörten sich so an, als hätte David meine Mutter bei einem Gespräch mit Jakob belauscht und daraus einen Song gemacht. Es sollte Englisch sein, war es aber nicht.
    „The night is dark. The day not. So get up you morning sing a song about night.“ Himmelherrgott. War das übel.
    Während die Musik meine Ohren quälte, stopfte ich Klamotten in den Schrank, Bücher ins Regal und alles andere unters Bett. Ich saugte sogar Staub – zum ersten Mal in meinem Leben –, was meine Mutter ganz aus dem Häuschen brachte. Sie hoffte wohl, dass ich zur Vernunft gekommen war.
    Gegen Mittag war ich endlich fertig. Mit meinen Nerven und dem Zimmer, das jetzt blitzte und blinkte und definitiv nicht mehr mein Zimmer war. Wenn man mal von den schrill angestrichenen Wänden absah, sah mein Zimmer so aus wie eine Puppenstube für brave Töchter. Ich stemmte die Hände in die Hüften, betrachtete mein Werk und dachte: Siehste, Hannah, wenn du nur willst, kannst du ein ganz anderes Mädchen sein. Aber willst du das überhaupt?
    Ich raufte mir die Haare. So ging das nicht. Das war nicht ich. Ich war eine Chaotin. Ich war unordentlich. Und ich fand, dass Marvin das wissen musste. Ich würde mich nicht ewig verstellen können.
    Sofort fing ich an, alles wieder aus dem Schrank und dem Regal zu reißen und im Raum zu verteilen, bis es fast so aussah wie vorher. Nur ohne Staub. Den ließ ich allerdings im Staubsaugerbeutel. Aber was, wenn Marvin das Chaos hier abschreckte? Konnte er eine volle

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