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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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hinter der jetzigen Hausnummer zwei gelegen haben.«
    Sie liefen wieder ein paar Meter die Straße hinunter bis Ares vor einem modernen zweistöckigen Mietshaus stoppte.
    »Hier muss es sein!«
    Sie sahen sich um.
    Und dann sah Stella den unscheinbaren, grauen und unbearbeiteten Stein, in der Hecke, die das Grundstück zur Straße begrenzte. Er stand im Dunkeln, aber die Beleuchtung des Hauses war hell genug, so dass sie die Bronzetafel erkennen konnte, die auf dem Stein befestigt war. Stella leuchtete auf die Tafel, las die Inschrift und Ares filmte.
    » Auf diesem Gelände befanden sich Villa und Park des Grundstücks Bergstraße 1. Im April 1940 wurde hier ein jüdisches Siechen- und Altenheim eingerichtet, eine Sammelstelle alter jüdischer Menschen in Potsdam. Am 16. Januar 1943 wurde das Heim durch die GESTAPO geräumt und die letzten in Potsdam lebenden Juden in Vernichtungslager deportiert. «
    Sie schwiegen einen Moment.
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Stella schließlich.
    »Hast du gedacht, ich erfinde das alles?«
    »Weiß nicht. Aber wieso Bergstraße, ich dachte, wir sind in der Spitzwinkelgasse?«
    »So hieß die Straße früher. Keine Ahnung, warum sie die umbenannt haben.«
    Stella fuhr mit der Hand über den Stein und die Bronzetafel.
    »Findest du es nicht auch komisch, dass es genau hier passiert ist?«, sagte sie.
    »Was?«
    »Das Einsammeln der Juden.«
    »Was meinst du?«
    »Na ja, in Berlin zum Beispiel ist alles viel anonymer, keiner weiß, was der Nachbar so macht, aber hier ... da muss man es doch gemerkt haben.«
    »Oder gerade nicht«, sagte Ares ernst.
    Stella richtete sich auf. In der Ferne hörten sie Polizeisirenen.
    »Hast du alle Aufnahmen?«
    »Denke schon«, sagte Ares und nahm wieder ihre Hand. »Aber lass uns lieber gehen.«

25
    »Was ist, wenn gut nicht genug ist. Was ist, wenn ich außergewöhnlich will?«
    (Hitch)
    Freitagmittag
    Ein Schaumbad war das optimale Mittel gegen Depressionen und der beste Ort zum Nachdenken und Tagträumen, fand Olivia. Eigentlich durfte sie nicht baden, die Wunde war noch nicht ganz verheilt, aber sie hatte sich noch nie an Vorschriften gehalten.
    Und sie wollte jetzt auch nicht an die Wunde denken. Sie wollte im Schaum sitzen, leicht vom Wasser getragen werden und tagträumen. Früher hatte sie sich oft ihre eigenen Märchen ausgedacht: Sie war die einsame und unglückliche Prinzessin in einem großen Palast. Festgehalten von bösen Geistern oder einer Rosenhecke, was auch immer. Und dann kam der Prinz ins Spiel. Nicht unbedingt auf einem weißen Ross, eher auf einem coolen Motorrad und definitiv nicht in einer dieser weißen Strumpfhosen, in denen die Prinzen in Märchenfilmen immer herumsprangen und wie schwule Balletttänzer aussahen. Überhaupt hatten ihr die Prinzen in Märchenfilmen nie gefallen. Wahrscheinlich lehnten die coolen Schauspieler diese Rollen immer ab. Und Olivias Märchenprinz war sowieso eher ein Actionheld. Kein Superheld. Denn was hatte man davon, von jemandem gerettet zu werden, für den das Retten von Menschen ein Job war? Kurz darauf würde er weiterziehen und die nächste Prinzessin retten. Ein Angestellter im Lebensrettungsdienst.
    Doch seit diesem Zusammenbruch und der Operation hatte das mit den Tagträumen nicht mehr so gut geklappt. Die Realität schob sich immer wieder vor das Märchenbild. Wie sie allein in dem Hotelzimmer gesessen hatte, mit diesen Schmerzen. In der Schweiz, eigentlich waren sie zum Skifahren dort gewesen, aber ihr Vater war mal wieder bei einem Geschäftsessen gewesen, denn egal, wo sie Urlaub machten, er fand immer jemanden, mit dem er reden musste. Sogar in den Schweizer Bergen.
    Die Schmerzen hatte sie schon länger gehabt, aber weil sie das Gefühl hatte, selber Schuld an all dem gewesen zu sein, hatte sie geschwiegen. Dazu kam, dass es Dinge gab, die sie nicht mit ihrem Vater besprechen wollte oder konnte. Genauso wenig wie mit Ares und Nick. Das waren Männer, die sich mit dem weiblichen Körper nicht auskannten und wahrscheinlich nicht verstehen würden, was in ihr vorging. Olivia hatte damals zweimal versucht, mit ihrer Mutter zu telefonieren, aber sie hatte sie jedes Mal während einer Drehpause am Filmset erwischt und gespürt, dass dies kein Moment für lange Aussprachen war.
    Aber durch das Abwarten und Zögern war die Sache nicht besser geworden. Am Ende hatte Olivia Glück gehabt. Sie hatte überlebt, war tatsächlich gerettet worden, wenn auch nicht von einem Prinzen,

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