Junimond (German Edition)
Frau.
»Wir müssen hier irgendwie rüber«, überlegte Ares laut und suchte nach einer guten Stelle, um über den Zaun zu kommen.
»Wieso?«, flüsterte Stella. Sie dachte an die Videokamera vor dem Haus ein paar Nummern weiter. Wer wusste schon, wie weit der Radius der Kamera reichte.
»Weil hier auf dem Grundstück ein Stein liegt.«
»Na, toll. Ich sag dir was. Da liegen sicher mehrere Steine, aber deshalb sollten wir uns nicht wieder von der Polizei schnappen lassen.«
Ares sah sie an. Selbst in dem schlechten Licht der Straßenlaterne sah sie seine Augen leuchten.
»Wir müssen.« Er stellt sich mit dem Rücken zum Zaun und verschränkte seine Hände ineinander. »Räuberleiter!«
»Räuberleiter? Du weißt schon, dass der Name Programm ist.«
»Nein, wir rauben nichts. Versprochen. Komm!«
Stella warf einen schnellen Blick zurück. In der Gasse waren sie allein und von der anderen Straße aus nicht zu sehen.
»Okay.« Sie trat in Ares gefaltete Hände, flog fast auf den Zaun und setzte sich rittlings auf die breite Abschlussstange.
Ares machte einen kleinen Sprung an den Zaun, schnappte nach dem oberen Rand und zog sich hoch. Dafür brauchte man eine Menge Bauchmuskeln, dachte Stella beeindruckt. Und, dass er vermutlich wusste, wie beeindruckend das war.
Sie schwangen sich auf die andere Seite und ließen sich in das kniehohe Unkraut fallen. Ares holte sein iPhone heraus, setzte die Taschenlampenfunktion aber erst ein, als sie nah am Haus standen. Jetzt sah sie, dass der Sockelbereich des leerstehenden Hauses mit Graffiti besprüht worden war. Aber da waren auch noch andere Zeichen.
»SS«, las Stella leise.
»Wieder in Runenschrift.«
»Wieder?«
»Ich meine, nur ...«
»Wer hat in diesem Haus gewohnt?«
»Keine Ahnung. Normale Mieter wahrscheinlich. Aber ich habe gelesen, dass das Haus, das hier vorher stand, also das von dem jüdischen Arzt, nach den Deportationen zu einer SS-Dienststelle wurde. Bis 45.«
»Was ist dann mit der Villa passiert?«
»Nach 45 ist sie verfallen und 1970 abgerissen worden.« Ares sah sich suchend um. »Wo ist dieser Stein?«
»Von was für einem Stein redest du eigentlich ständig?«
Ares nahm ihre Hand und zog sie gebückt laufend hinter sich her, als wäre das ganz selbstverständlich. Stellas Herz schlug wieder schneller. Ares zog sie hinter das Gebäude. Es war noch dunkler und das Licht des iPhone nützte wenig.
»Vorsichtig!«, sagte Ares, aber im gleichen Moment fiel er und zog Stella mit in eine flache Grube voller altem Bauschutt. »Hast du dir weh getan?«, fragte Ares besorgt.
Sie grinste. »Nein, ich bin glücklicherweise auf dich gefallen.«
Vorsichtig rappelten sie sich wieder hoch. Als Ares aufstand, hörte sie Stoff reißen. Er drehte sich um und beleuchtete mit dem iPhone den Schaden an seiner Hose. Die weiße Haut seines gutgeformten Hintern leuchtete im Dunkeln.
»Nichts passiert«, sagte Ares.
Ja, dachte Stella. Nur die super teure Nike-Hose war zerrissen. Selbst rostige Nägel in Brettern waren offenbar wählerisch.
»Komm weiter!«
»Sollen wir wirklich?«, fragte Stella skeptisch.
Die Hose war vielleicht nur der Anfang von weiteren, größeren Katastrophen. Doch Ares nickte und hielt das iPhone auf Stella gerichtet.
»Was machst du?«
»Videomodus. Ich dokumentiere das.«
»Was?«
»Na uns, diese Aktion.«
»Die zerrissene Hose?«
»Nein. Unsere Suche nach dem Stein.«
Stella lächelte. »Dem Stein der Weisen?« Ares blieb stehen und grinste. »Ja, vielleicht.« Dann wurde er ernst. »Hier muss ein Gedenkstein liegen.«
»Hier? Auf diesem verwilderten Gelände?«
»Genau. Ist doch ein Skandal, oder? Und wir decken das jetzt auf.« Ares zwinkerte ihr zu.
Im Dunkeln sah sie seine Zähne leuchten. »Wir sind Kolumbus. Und vielleicht finden wir ja auf der Suche nach dem Stein etwas viel Größeres.«
»Tja, kommt auf die Größe des Steins an.«
Plötzlich blieb Ares stehen und tippte auf seinem iPhone herum.
»Was ist? Haben wir Amerika entdeckt?«
»Weiß nicht so genau.«
»Ist es ein Kontinent? Kommen Indianer? Haben wir Glasperlen?«
»Verdammt!«
»Was?«
»Wir sind falsch. Der Stein liegt auf dem nächsten Grundstück. Nummer 2a«, sagte Ares. »Wir müssen zurück.«
Sie stiegen an einer unauffälligen Stelle zurück über den Zaun und liefen dann die Straße herunter bis zur Nummer 2a.
»Ja, na klar, das Grundstück war vorher viel größer, sie haben es später geteilt und neu bebaut. Das Haus muss
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