Junimond (German Edition)
seinem Zimmer, auf seinem Bett hasste Ares auf einmal alle seine Freunde. Zumindest für diesen Augenblick. Wie konnten sie da unten sitzen bleiben, statt ihm beizustehen? Aber wobei genau? Zugegeben, am meisten litt er unter der Tatsache, dass dieser Tim gekommen war und offenbar ein Freund von Stella war. Vermutlich sogar DER Freund. Ein ziemlich cooler, wenn auch etwas nerviger Typ. Älter, ein Skater, ein Berliner. Bin ich ihr nicht cool genug? Findet sie mich lahm, weil ich zu wenig rede und keine Werbung für mich mache?
Ares schloss die Augen und versuchte alle Gedanken an Stella abzustellen. Die Sache einfach zu beenden. Es gab genug andere Mädchen, hier, dort, auf der ganzen Welt. Er hörte die anderen unten lachen und suchte nach seinem iPod. Musik musste ihn jetzt retten, so wie immer.
57
»Es ist irritierend, wenn ein Fremder einen klarer sieht, als man sich selbst.«
(Eat, Pray, Love)
Mittwochmorgen
Olivia hatte einen Kater. Ihr Kopf dröhnte von einer Viertelflasche Sekt und drei Flaschen Master Blaster , einem Alcopop, den Stellas Freunde mitgebracht hatten und der angeblich keine Kopfschmerzen machte, aber das hing vermutlich von der Menge ab, die man trank. Dazu kam, dass sie nur etwa drei Stunden geschlafen hatte, da Master Blaster mehr Koffein als Cola enthielt, sie erst im Morgengrauen eingeschlafen war und dann auch nur kurz geschlafen hatte. Morgengrauen, das war überhaupt die treffende Bezeichnung für diesen Moment. Im Waschraum betröpfelte sie sich mit eiskaltem Wasser, ihr fehlte eine Dusche.
In der Küche war niemand, doch auf der Terrasse saß Dana auf einem Gartenstuhl, die Beine auf einem anderen Stuhl abgelegt und trank Kaffee.
»Hi.«
»Hi!« Dana blinzelte in die Sonne. »Das ist toll hier! Ihr habt echt ein Riesenglück.«
»Ja? Ich fände warmes Wasser nicht schlecht.«
»Da ist doch noch was in der Küche und Kaffee gibt es auch!«
Olivia lächelte über das Missverständnis und holte sich eine Tasse schwarzen Kaffee. Trotz des Alkohols erinnerte sie sich, dass sie am vorherigen Abend lange mit Dana geredet hatte und sie beide sich sehr gut verstanden hatten. Olivia hatte immer gedacht, sie selber wäre offen und direkt, aber Dana übertraf sie bei weitem.
Sie kam zurück und setzte sich mit ihrem Kaffee auf die Terrasse. Die Hitze erinnerte an Sommer und Dana war barfuß und trug ein Trägertop. Die Narben auf ihrem Arm schimmerten in der Sonne. Olivia hatte sie schon am Abend bemerkt, jedoch nicht angesprochen. Als sie nun ihre Arme betrachtete, lächelte Dana. »Habe gehört, du hast auch eine Narbe.«
Olivia sah skeptisch auf. Was hatte Stella ihr erzählt? »Stehst du auf Narben?«, fragt Olivia vorsichtig.
Dana blinzelte auf eine Art, die Olivia von Stella kannte. Sie nahm sich Zeit für die Antwort.
»Ich stehe auf extreme Erfahrungen. Die meisten Menschen leben ein totlangweiliges Leben, aber Erfahrungen hinterlassen Narben. Wo hast du deine Narbe her? Stella meinte, ein ... Unfall?«
»Eine Notoperation.«
»Hhm. Kann ich die Narbe mal sehen?«
Olivia lächelte unsicher. War das ernst gemeint? Und wollte sie das? Sie hatte die Narbe noch niemandem gezeigt und sah sie sich nur sehr selten an. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie schon im Internet nach Möglichkeiten gegoogelt, die Narbe weniger sichtbar zu machen.
»Ich will sie mir abschleifen oder lasern lassen.«
»Aber warum denn?«, sagte Dana verständnislos. »Es sind Spuren deines Lebens.«
»Nicht sehr schöne.«
»Das sagst du.«
Olivia zögerte kurz, dann stellte sie die Kaffeetasse auf den Boden, schob ihr T-Shirt hoch und den Hosenbund nach unten. Sie löste vorsichtig das Pflaster und überließ Dana das Urteil.
»Das war aber wirklich eine Notoperation. Wer hat die denn gemacht«, sagte Dana leicht geschockt.
»Keine Ahnung, ich bin in Ohnmacht gefallen.«
Dana nickte. »Blinddarmdurchbruch?«
»Nein, ich hatte eine Eileiterschwangerschaft, die zu spät entdeckt wurde. Ich war im Urlaub mit meinem Vater. Ein Zimmermädchen hat mich gefunden und der Hotelarzt hat mich ins Krankenhaus gebracht.«
»Da hast du aber Glück gehabt.«
Olivia lächelte schief. »Ja, ich habe mich gleich in den Arzt verliebt. Meinen Retter.«
»Und jetzt mailt ihr euch?«
Sie lachte. »Nein, er hat eine Frau und zwei Kinder und mich sicher schon vergessen. Er war auch ein bisschen zu alt.«
»Und?« Dana blinzelte zu Olivia. »Ich meine ... wieso bist du überhaupt schwanger geworden? Ich
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