Junimond (German Edition)
Haus zu tun?«
»Meine Oma wollte das Haus eigentlich ihrem Sohn und seiner Frau vererben, aber durch seine Heirat mit einer Jüdin war das unmöglich. Und dann starb ihr Sohn im Krieg. Meine Oma war der Meinung, dass ihr Sohn im Krieg gestorben ist, weil er entwurzelt war. So hat sie das genannt. Er fand den Krieg sinnlos und diese Rassengesetze. Sie war sich sicher, dass er fliehen wollte und erschossen wurde. Sein Tod ist ungeklärt. In der Stimmung hat sie ein Testament gemacht und bestimmt, dass Anna Levy, also meine Mutter oder eine andere weibliche Nachfahrin der Levys das Haus erben soll. Sie wollte nach dem Krieg also ganz sicher gehen, dass es einmal eine Jüdin erbt.«
»Dann hat deine Mutter das Haus also doch geerbt.«
»Das ist nicht so einfach. Das Testament ist sehr alt und war lange verschollen. Und meine Mutter heiratete ja nach dem Krieg wieder. Meinen Vater. Und wechselte zum Protestantismus. Dass sie Jüdin ist, habe ich erst gemerkt, als du geboren wurdest und ich Einblick in das Stammbuch der Familie hatte. Zu der Zeit wurde das Namensrecht überarbeitete und ich mochte ihren Mädchennamen. Und habe ihn angenommen.«
»Ich weiß. Und Papa ...?«
»Er wollte nicht heiraten, aber ich wollte einen neuen Namen. Er war auch einverstanden, dass du diesen Namen erhältst.«
»Und wann wurde das Testament gefunden?«
»Erst vor ein paar Jahren. Meine Schwieger-Oma starb in der DDR und das Haus war sowieso schon vorher enteignet worden. Nach der Wende war das Testament verschollen. Und meine Mutter hatte nie das Gefühl, dass sie das Haus verdient hat, wie sie es nannte. Sie war zum Protestantismus konvertiert und hatte neu geheiratet. Aber zufälligerweise hatte ich, hatten wir beide nun den Namen Levy. Der Anwalt würde das akzeptieren. Die Bedingung war nur oder besser gesagt: ist ...«
»Ja?«
»Wir müssen es in Stand halten und bewohnen.«
»Aber das können wir doch gar nicht.«
»Doch«, ihre Mutter sah sie unsicher lächelnd an. »Zu dem Haus gibt es ein Konto in der Schweiz.«
»Mit viel Geld?«
»Ja, mit sehr viel Geld. Aber du weißt, wie ich zu Geld stehe. Es sollte nicht alle Lebensentscheidungen bestimmen. Und ich wollte immer frei sein.«
Stella sah ihre Mutter an. Sie waren viel herumgezogen und es war nicht immer leicht gewesen.
»Was willst du denn?«, fragte Stella leise.
Ihre Mutter zuckte verlegen mit den Schultern. »Weißt du, ich werde älter und es fällt mir schwerer, immer wieder neu anzufangen. Vielleicht bin ich nur herumgezogen, weil mir das gefehlt hat. Ich meine, ein Ort, an den ich gehöre.«
»Ein heruntergekommenes Haus in einer Vorstadtsiedlung?«
»Nein, ein Haus, in dem schon meine Mutter hätte wohnen sollen, wenn man es ihr nicht verboten hätte.«
Stella blinzelte. »Aber du weißt schon, dass du dann nie geboren worden wärst, oder? Und ich auch nicht.«
Ihre Mutter lächelte. »Sehr logisch gedacht. Du solltest wirklich Anwältin werden, Stella. Aber ... was ist mit der Tatsache, dass wir es nun mal geerbt haben. Es könnte uns gehören.«
»Wäre das deiner Oma denn recht gewesen? Ich meine, wir haben keine Ahnung vom Judentum, du heißt nur Levy, weil du nicht Schmidt heißen wolltest und ich kann noch weniger dafür.«
»Ja, ich weiß. Vielleicht meinte sie aber genau das: Niemand kann etwas dafür, woher er kommt und wie er heißt. Aber man kann entscheiden, wohin man geht und wofür man einsteht.«
56
»Um ein Mädchen rumzukriegen gibt es nichts Besseres, als sie ins Kino einzuladen und Dracula zu sehen.«
(Ed Wood)
Dienstagabend
Ares war sehr froh, dass er von Nicks Vater verarztet worden war und ihm so ein Besuch im Krankenhaus erspart blieb. Und als er auf der Trage in der Praxis von Nicks Vater gelegen hatte, musste Nick filmen. Alles. Das Herauspicken von kleinen Steinchen aus seinem Oberschenkel, die Reinigung der Schürfwunden, das Desinfizieren. Natürlich hatte Ares dabei weggesehen. Irgendwann würde er sich den Film ansehen. Als Konfrontationstherapie. Ohne in Ohnmacht zu fallen. Doch so weit war es noch nicht.
Jetzt lag er in Boxershorts auf der Couch in Stellas Wohnraum, das linke Bein hochgelagert, weil die Wunden trocknen sollten und Nick war mit einem umfassenden Ablenkungsprogramm beschäftigt. Er hatte einen Beamer besorgt und seine DVD-Sammlung geplündert und nun warteten sie auf die Mädchen, um die Spaghetti in den Topf zu werfen für ein gemeinsames Essen und einen gemeinsamen Heimkinoabend.
Ares war
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