Junimond (German Edition)
einem Skateboard stand und Tim sie an der Hand hielt. »Er bringt Olli einen Olli bei.«
»Zeit, dass wir abfahren!«
Stella nickte. »Trotzdem nett, dass du hier warst. Und - du bist jederzeit willkommen in meinem Palast.«
63
»Mann muss sehr höflich mit sich sein, wenn man etwas Neues lernt.«
(Eat, Pray, Love)
Freitagmittag
»Legt euch mit geschlossenen Beinen auf den Rücken, streckt die Arme zur Seite und dann winkelt das rechte Bein an. Der linke Fuß kommt jetzt auf das rechte Knie und nun verdreht den Körper so, dass euer Kopf zur einen Seite gerichtet ist, das Knie zur anderen.«
»Wo ist die versteckte Kamera?«, flüsterte Olivia.
»Willst du so gefilmt werden?«, flüsterte Stella zurück.
»Besser nicht.«
»Stella, mein Schatz, beim Yoga kommt es nicht nur auf die körperliche Bewegung, sondern auch auf die geistige Ruhe an. Schweigen würde sehr dazu beitragen. Wie geht es dir Olivia?«
»Meine Narbe zieht etwas.«
»Dann mach Makarasana etwas vorsichtiger.«
»Was bitte?«
» Makarasana , das Krokodil. Die Übung fördert die Beweglichkeit der Wirbelsäule im Hüftbereich, verhindert viele Frauenleiden und verbessert den Sex.«
»Mama!«
Cool , dachte Olivia, aber wenn man Sex mit dem falschen Typen hat, dann nützt einem auch das Krokodil nicht viel .
Ihrer Narbe ging es besser, sowohl der körperlichen als auch der seelischen. Dana hatte Recht gehabt, es hatte gut getan, darüber zu reden. Es tat überhaupt gut, mit Frauen zusammen zu sein. Menschen, die den gleichen Körper wie sie hatten und wussten, wie man sich fühlte, wenn es Probleme gab. Die überhaupt wussten, wie man sich fühlte, wenn man in einem Frauenkörper steckte. Manchmal schutzlos und ausgeliefert. Sie und Lars hatten Sex gehabt, aber nur sie hatte jetzt eine Narbe am Bauch.
Loslassen , hatte Stellas Mutter ihr geraten. Wie ließ man denn etwas los, was schon längst weg war, und nur noch als Schatten durch ihre Erinnerung geisterte? Die Vergangenheit blieb doch da, die schmerzhaften Erinnerungen, die Narben.
Stellas Schwieger-Uroma zum Beispiel. Sie wollte nicht vergessen und deshalb wohnten Stella und ihre Mutter jetzt hier. Was schön war. Vielleicht heilten so bestimmte Wunden, indem man nicht vergaß, sondern nicht nur sich, sondern auch andere erinnerte. Und das war es bestimmt auch, was Dana an Narben liebte: dass sie auch für andere sichtbar waren.
»Olivia, ich höre dich förmlich denken, aber Yoga ist eine Form der Meditation, las all deine Gedanken los.«
»Ich geb mir Mühe.«
»Nein, du strengst dich an. Und das ist etwas anderes. Einfach entspannen und die Übungen geschehen lassen. So, jetzt streckt das Bein wieder aus und dann alles zur anderen Seite.«
Olivia hatte links und rechts verwechselt und sah Stella beim Wechsel an. Stella grinste und zwinkerte ihr zu. Olivia fand Stellas Mutter etwas verrückt, aber sonst sehr sympathisch. Abgesehen davon, dass Olivia jeden um die Anwesenheit einer Mutter beneidete, konnte sie Stella nur beglückwünschen. Sie hatte das Angebot, bei Stella und ihrer Mutter noch bis zum Schulbeginn zu wohnen, gerne angenommen und nachher würde sie die beiden filmen und sich die ganze Geschichte mit dem Haus noch einmal ganz in Ruhe erzählen lassen. Alles passte zusammen.
Doch dass die Jungs verschwunden waren, belastete Olivia. Immerhin waren es ihre besten Freunde. Sie hatte Nick mindestens zehn Nachrichten auf seinem Handy hinterlassen. Eigentlich war es nicht seine Art, einfach wegzugehen ohne Bescheid zu sagen. Und Ares war auch beleidigt, aber das musste Stella in Ordnung bringen. Schließlich waren sie jetzt nicht mehr zu dritt, sondern die Fantastic Four.
64
»Ich hab´ mein Bestes gegeben. Was soll ich sonst noch tun?«
(The Darjeeling Limited)
Freitagnachmittag
»Ich bin froh, dass ihr hier seid, ich ...«
Ares Vater stockte und sah zu Ares und Helena, ratlos, unsicher. Er hatte sie in sein Arbeitszimmer gebeten, allein, ihre Mutter war vermutlich bei ihrem neuen Freund, wie die ganze letzte Zeit schon, als Ares noch gedacht hatte, es wäre alles in Ordnung. Aber in letzter Zeit wunderte ihn gar nichts mehr. Er war genau wie sein Vater, naiv und blind.
Ares hatte Angst, sein Vater würde weinen, er hatte ihn noch nie weinen gesehen und er sollte nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen, wo er selber verletzt war und die Tränen schon seit Tagen zurückhielt.
»Wir wissen Bescheid«, sagte Helena. Auch ihre Stimme klang gefährlich wackelig.
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