Junimond (German Edition)
er ist schneller hier gewesen, als jeder Notarzt, mach dir keine Sorgen.« Nick redete, aber es kam weniger auf die Worte an, als auf den Klang seiner Stimme, die Tatsache, dass er überhaupt redete und der Situation etwas Normales gab. Er grinste vorsichtig.
»Mann, mit diesen Eltern hat man nichts als Sorgen!« Ares lächelte zurück. Nein, es war nicht zu früh für Scherze, es beruhigte ihn. Solange man noch lachte, war alles gut.
Helena kam langsam die Treppe herunter und setzte sich erschöpft auf die unterste Stufe. Sie war definitiv die Heldin dieses Abends, das, was große Schwestern im Allgemeinen waren und ganz besonders für ihre kleinen Brüder. Ihr Make-Up hatte sich dramatisch über ihr Gesicht verteilt, ihre Haare waren nass und klebten ihr im verschwitzten Gesicht. Sie sah zu Ares und lächelte schwach.
»Er meint, sie schafft es.«
»Toll«, sagte Nick leise.
Sie schwiegen und hörten, dass Nicks Vater oben einen Krankenwagen anforderte.
Ares beobachtete, wie Helena langsam in dieses Leben zurückkehrte, man konnte fast sehen, wie ihr Adrenalinspiegel absank. Sie blinzelte ihm zu.
»Alles klar, kleiner Bruder? Danke, für die Unterstützung.«
»Ich bin wie ein Einjähriger gekrabbelt.«
Sie lächelte. »Hab ich gehört.«
Sie streckte sich und schien Nick erst jetzt bewusst wahrzunehmen. Sie nickte ihm zu.
»Ohne deinen Vater wäre ich da oben durchgedreht.«
»Ich habe ihn euch gerne ausgeliehen.«
»Ja, er ist ein richtiger Arzt, ich dachte immer, du gibst nur mit ihm an.«
Nick grinste. »Hab ich auch, ich wusste ja nicht, dass er echt was kann.« Sie lächelten. Nick und Helena hatten sich schon immer verstanden.
Sie lächelte und sagte gespielt grimmig. »Verdammte Schauspielerin. Wenn das nur eine Show war ...« Sie betrachtete ihre blutigen Hände. »Na, das Blut war jedenfalls echt.«
»Ja«, sagte Ares und der Vorhang konnte sich endlich zuziehen.
69
»Wenn man eine Vision hat, dann muss man dafür kämpfen, wer will schon sein Leben lang Träume anderer verwirklichen.«
(Ed Wood)
Montagmorgen
»Guten Morgen! Ich hoffe, ihr hattet eine schaffensreiche Zeit. Aber ich komme gleich zur Sache. Ohne hier Namen zu nennen, möchte ich kurz etwas zu diesen fünf Konzepten sagen, die ich mir von euch erbeten habe. Wie ihr wisst, habt ihr noch genau eine Woche, um euren Film abzugeben. Ja, Olivia ...?«
»Ich wollte nur sagen, dass wir mit dem Konzept noch nicht fertig sind.« Olivia stockte. Warum sagte sie das überhaupt, es war doch sowieso klar.
»Ich weiß«, sagte Müller-Stein nüchtern und setzte sich lässig auf die Kante des Schreibtisches, »dazu komme ich gleich.« Olivia seufzte frustriert. Sie war immer stolz darauf gewesen, zu den guten, den fitten Schülern zu gehören. Und jetzt traf sie zum ersten Mal eine von Müller-Steins Ansprachen. Er liebte es, Ratschläge aus seinem reichen Erfahrungsschatz zu geben. Aber hallo? Er war doch auch »nur« Lehrer geworden und kein großer Regisseur. Und statt Preise und Urkunden hatte sie in seiner Wohnung damals nur volle Aschenbecher und leere Pizzakartons entdeckt. Sie hätte es wie die Jungs machen und einfach zuhause bleiben sollen. Verdammt!
»Zur ersten Gruppe ...« Müller-Stein hantierte mit zehn sorgfältig gelayouteten Seiten herum, sauber geheftet, mustergültig. »Ja, das geht schon in die Richtung, die ich mir vorgestellt habe. Nur - warum habe ich das Gefühl, dass ihr euch die Arbeit strikt aufgeteilt habt und dass dieses Konzept von einem von euch in stiller Nachtarbeit angefertigt wurde, während die anderen ihm dafür ein Eis spendiert haben?« Er machte eine Pause zum Unwohlfühlen.
»Vergesst nicht, das hier ist Gruppenarbeit, Film ist Gruppen-Arbeit. Ansonsten fällt alles auseinander.« Die betreffende Gruppe nickte schwach.
Müller-Stein hielt eine DVD hoch. »Das zweite Konzept, auf DVD, sehr nett. Eure Umgebung habt ihr hier als Milieustudie verstanden. Rein in den sozialen Brennpunkt unserer Gegend. Das nennt sich Aufklärung oder soziale Verantwortung aber ACHTUNG: Das ist eine große Kunst! Wollt ihr wirklich die Probleme anderer mit Empathie und Mitgefühl zeigen, Aufrütteln, den Finger auf gesellschaftliche Wunden legen? Könnt ihr das? Denn wenn nicht, dann ist es nur billiger Voyeurismus und gehört in die niedrigen Kategorien der Filmkunst. Also fragt euch, ob es euch wirklich ernst mit diesem Anliegen ist.«
Müller-Stein atmete aus, es hatte ihn mal wieder weggerissen und Olivia
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