Junimond (German Edition)
fand, es hörte sich ein wenig danach an, als ob alte Wunden aufgerissen worden wären. Arbeitete Müller-Stein deshalb als Lehrer? Um etwas zu verbessern, zu verändern?
»Ich komme zu Konzept Nummer drei. Hunde und ihre Besitzer . Fein, brav, sauber – uninteressant. Jedenfalls bisher. Ich rate euch, die Sache entweder mit viel, viel mehr Humor anzugehen oder ... nein, es gibt kein Oder .«
Die Klasse stöhnte leise auf. Offenbar kam heute niemand gut bei seiner Abrechnung weg.
Müller-Stein griff nach einer Kiste auf dem Tisch und hielt sie in Richtung Klasse. »Ich komme zu Konzept Nummer vier. Oder besser: der losen Blattsammlung von Kreativen, die zwar vor Ideen bersten, aber leider nicht genug Struktur in ihre Arbeit bringen können, um sich irgendwem, mich eingeschlossen, irgendwie verständlich zu machen. Kurz«, wieder der Blick in die Klasse, »ich blicke nicht durch. Versteht ihr, was ich meine? Wenn euer Film nicht ein wenig verständlicher wird, dann werden eure Zuschauer den Raum nach kurzer Zeit verlassen. Alles klar?«
Er warf die Kiste wieder zurück auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Olivia wusste, was jetzt kam. Natürlich zum Schluss, das große Finale. Müller-Stein sah zu Stella, dann zu Olivia und schnaubte unwillig.
»Und nun zu Konzept Nummer fünf, dass mir leider nicht abgegeben wurde. Und das von einer der ansonsten zuverlässigsten Gruppen. Was ist passiert? Was soll ich dazu sagen?« Er sah wieder in den Raum. Olivia schwieg und hinderte auch Stella daran, den Mund aufzumachen. Müller-Stein erwartete hier nicht wirklich eine Antwort, er war auf Nachrichtenmodus und zwischen ihm und der Klasse war eine Glasscheibe, durch die man nur in eine Richtung gucken konnte. Olivia versuchte sich vorzustellen, sie wäre weit weg oder könnte Umschalten auf ein oberflächliches Unterhaltungsprogramm, aber als sie aufsah, blickte ihr Müller-Stein direkt in die Augen.
»Hört her, das ist mir wirklich wichtig. Stellt euch nur einmal vor, ich wäre euer Auftraggeber. Eine Produktion, die darauf angewiesen ist, dass ihr pünktlich liefert. Hier geht es nicht nur um ein dummes Konzept oder Noten, hier geht es auch darum, wie ihr euer Leben später als Freiberufler in den Griff bekommt.« Einige scharrten unruhig mit den Füßen und Müller-Stein wartete, bis es wieder still wurde. Es war ihm wirklich wichtig, das war vielleicht das Erschreckendste an seinem Vortrag. Er riss die Arme hoch.
»Ihr sollt eure kreative Arbeit machen, eure Ideen verwirklichen.« Er ließ die Arme wieder sinken. »Es sei denn, ihr seid scharf darauf, Fließbandarbeiter im Filmbetrieb zu werden. Und das kann ich mir wirklich nicht vorstellen, Olivia, oder?« Müller-Stein sah sie an und Olivia zuckte müde mit den Schultern. Auch wenn er Recht hatte, Müller-Stein hatte keine Ahnung, was los war und seine Enttäuschung machte die Sache nicht besser. Sie sah zu Stella, die vor sich auf den Tisch starrte.
»Wo sind Nick und Ares?«, fragte Müller-Stein leise.
Olivia und Stella zuckten nur mit den Schultern.
70
Dienstagnachmittag
Olivia hielt die Zeitung so vor die Tür, dass Nick es sofort lesen konnte, dann bat sie Stella SOS zu klingeln. Ares und Nick waren auch am Dienstag nicht in der Schule gewesen und die Mädchen hatten sich einen zweiten langen Privatvortrag von Müller-Stein anhören müssen. Mit jedem Tag blieb ihnen weniger Zeit, den Film fertig zu machen, aber das war nicht der Grund, warum Olivia sauer war.
Die Tür würde aufgerissen und Nick starrte auf die Zeitung, dann schob er sie beiseite und sah Olivia ausdruckslos an.
»Was ist los?«
»Was los ist? Ich lese es dir vor: Ina von Bergdorff nach Selbstmordversuch in Potsdamer Klinik. Nur durch das beherzte Eingreifen des Arztes und Nachbarn der Schauspielerin, konnte das Schlimmste verhindert werden. Ihre Kinder fanden sie am ...bla, bla, bla! Warum, verdammt noch mal, habt ihr mir nicht Bescheid gesagt? So etwas erzählt man sich doch unter Freunden, oder? Ihr fehlt in der Schule, ich stehe da allein vor Müller-Stein, verdammt, was ist los mit euch, was ist los mit dir?«
Nick lächelte schwach, Olivia wusste, dass sie etwa lächerlich wirkte, wenn sie sich aufregte.
»Wie geht es Ares?«
»Warum fragt ihr ihn nicht selbst?«
Olivia drehte sich um und zeigte auf zwei PKWs vor Ares Haus, in denen Männer warteten und auf zwei Typen, die sich rauchend vor dem Haus die Beine vertraten.
»Sein Haus ist
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