Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
Vom Netzwerk:
einfach die Pause-Taste gedrückt, die Welt angehalten.
    Helena riss ihre Handtasche auf und holte ihr Portemonnaie heraus.
    »Bitte, bitte!« Sie fand ein Geldstück. Beide wussten, dass man die Badezimmertür so von außen öffnen konnte. Es war eine der wenigen Neubautüren im Haus, Helena brauchte nur das Geldstück in den Schlitz des Kunststoffschlosses zu stecken und umzudrehen. Als Kinder hatten sie sich damit oft geärgert, den anderen absichtlich gestört. Jetzt war es kein Spaß. Helena sah ihn fragend an, zögerte, aber er nickte. Sie durften nicht länger warten.
    Im Raum war es dunkel und es roch nach Badewasser und erloschenen Kerzen. Helene machte Licht und schrie auf. Obwohl sie beide bis zum Schluss gehofft hatten, dass alles nur ein Irrtum war, ein dummer Streich, ihre eigene Phantasie, war doch genau das eingetreten, was sie vermutet hatten.
    »Los, geh telefonieren, mein Handy ist in meiner Tasche, ruf Papa an. Und setz dich dabei hin«, flüsterte Helena in einem Ton, den Ares noch nie von ihr gehört hatte. Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden, die blutende Hand über dem Wannenrand, der zur Seite gekippte Kopf seiner Mutter, das Blutrinnsal, ein eiserner Geschmack in seinem Mund. Er ließ sich an der Wand im Flur zu Boden gleiten und suchte nach Helenas Handy und dann mechanisch nach der Nummer seines Vaters auf dem Display. Es tutete unerträglich träge und langsam, niemand ging ran, hob ab, verstand, wie wichtig der Anruf war und Ares spürte, wie die schwarzen Vorhänge sich von den Seiten in sein Blickfeld zogen, während er Helena im Bad hantieren hörte, den nassen Körper gegen die Wannenwand bewegen, das Quietschen von nasser Haut auf Emaille.
    Nicht weggehen! Wachbleiben .
    Helena kam aus dem Bad, ihre Hände waren blutig, ihr Blick starr, aber konzentriert. Sie packte Ares an den Schultern und sah ihn ernst an.
    »Sie lebt, los, ruf den Notarzt, nein, besser Nicks Vater, SCHNELL!«
    Ares konnte Nicks Nummer im Schlaf, doch als sich Nicks Stimme meldete, wunderte er sich, dass er überhaupt noch Kontakt zur Außenwelt hatte, dass die schwarzen Vorhänge noch einen Spalt offen standen, dass er überhaupt noch sprechen konnte.
    »Meine Mutter, sie hat sich, die ... Pulsadern aufgeschnitten. Kann dein Vater kommen? SCHNELL.«
    »Okay«, hauchte Nick erschrocken.
    »Sie kommen«, rief Ares, ohne sich umzudrehen.
    Obwohl er Helena gerne geholfen hätte, wusste Ares, dass er das Bad nicht betreten durfte, er durfte noch nicht einmal daran denken, was dort gerade geschah oder geschehen war.
    »Ich mach die Tür unten auf.«
    Da er nicht aufstehen konnte, krabbelte er zur Treppe und für einen Moment schob sich ein seltsames Bild in seinen Kopf. Was für eine Komödie man aus dieser Situation machen könnte. Der Held, der auf allen Vieren die Treppe herunterkrabbelte, während die wahre Heldin oben im Bad mit einem bewusstlosen Körper kämpfte. Und dass es keinen Unterschied machte, wie man das Leben sah, es wurde nicht besser, wenn man eine Tragödie daraus machte und vielleicht konnte man eine solche Katastrophe nur mit Humor meistern.
    Als Ares unten an der Treppe ankam, klingelte es schon Sturm an der Haustür. Er krabbelte weiter zur Tür. Seine Beine waren bleischwer, sein ganzer Körper sehnte sich nach dem Boden, nach dem Abgleiten in die Bewusstlosigkeit, ohne Verantwortung für das alles hier. Wie schön wäre es, der Panik und Angst zu entgehen? Sich abzumelden von diesem Moment. Aber wenn er das nicht hinbekam und hier versagte? Wie sollte er dann überhaupt leben, überleben? Es ging auch für ihn um Leben und Tod, um seine Haltung, sein Handeln, seine Entschlossenheit, diese Tat, in diesem Augenblick. Wieder klingelte es und Helena brüllte von oben, er wusste, dass auch sie über sich hinauswuchs und oben nicht wegkonnte. Er musste alle Konzentration für das Erreichen der Klinke aufbringen. Nichts anderes war jetzt wichtiger.
    Und er schaffte es, irgendwie. Ein Wunder. Nicks Vater stürmte die Treppe hinauf und Ares fiel zurück gegen die zufallende Tür, sackte in sich zusammen, atmete. Nick hockte sich neben ihn. Er war blass.
    »Soll ich deine Beine hochlegen?«
    »Geht schon.«
    »Wie bist du hierher gekommen?«
    »Gekrabbelt.«
    »Starke Leistung.«
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Ares wusste, dass Nick auf ihn aufpasste, ihn wachhielt, beobachtete. So war es immer schon gewesen, das machte ihre Freundschaft aus.
    »Mein Vater wird das hinkriegen,

Weitere Kostenlose Bücher