Jupiter
nichts von seinem Problem zu sagen.
Wenn er zu seiner Frau sprach, versuchte er sich fröhlich und zuversichtlich zu geben und vermied jede Erwähnung der Arbeit, die er tat. Am niederdrückendsten empfand er, dass er in seinem gerade erst begonnenen Studium der Astrophysik keinen Schritt vorankam. Es gab nicht einmal einen anderen Astrophysiker in der Station, der ihm als Mentor hätte helfen können – vorausgesetzt, er hätte überhaupt die Zeit gehabt, sein Studium fortzuführen.
Auch Marjories Botschaften an ihn wurden seltener. Sie war offensichtlich viel beschäftigt und ging in ihrer Arbeit auf. Sie wirkte noch immer munter und energisch und lächelte ihm zuliebe in die Kamera, selbst wenn sie müde aussah und Schweiß auf der Stirn hatte. Oft schien sie in einem Zelt oder auf einer Lichtung in einem tropischen Wald zu sein. Einmal sah er ein Buschfeuer hinter ihr wüten, lange Flammenzungen, die durch die Zweige und Bäume schossen, das Unterholz in Glut verwandelten und dichten grauschwarzen Rauch brodelnd zum Himmel steigen ließen, während schwer bewaffnete Soldaten mit den himmelblauen Helmen der internationalen Friedenstruppe in aufgelockerten Gruppen vorbeizogen. Sie aber schien immer munter, enthusiastisch, erzählte Grant aufgeregt von ihren Erfolgen im Aufspüren versteckter Drogenfabriken oder Lagern biologischer Waffen.
Dennoch sah Grant etwas in Marjories strahlendem, freudigem Gesicht, das ihm Sorgen bereitete. Wochenlang versuchte er zu bestimmen, was es sein konnte. Und dann kam ihm die Erleuchtung. Sie war mit sich selbst zufrieden! Sie war glücklich mit der Arbeit, die sie tat, mithelfen zu können, dass die Welt besser und sicherer wurde – während Grant nichts als Hausmeisterarbeit in einer entlegenen Station verrichtete, Hunderte von Millionen Kilometer von daheim.
Und er bemerkte noch etwas. Marjorie beendete ihre Botschaften nicht mehr mit einer Zählung der Stunden bis zu ihrer Wiedervereinigung.
Ich habe sie verloren, sagte er sich. Bis ich in die Heimat zurückkehre, werden wir einander Fremde sein.
Gleichwohl brachte er es nicht über sich, Marjorie seine Befürchtungen mitzuteilen. Er konnte ihr nicht von seiner Einsamkeit erzählen, seiner Müdigkeit, seiner wachsenden Verzweiflung. Er versuchte optimistisch und fröhlich zu sein, wenn er zu ihr sprach, und wusste dabei, dass sie in ihren Botschaften an ihn das Gleiche tat. Versuchte sie ihn aufzumuntern? Oder war sie nur nett zu ihm? Liebte sie ihn noch?
Dann fragte er sich, ob er sie noch liebte, und war schockiert über die Erkenntnis, dass er nicht sicher wusste, ob das der Fall war.
Ziemlich häufig sah er Sheena, wenn sie gemächlich durch den schmalen Korridor des Aquariums wanderte oder still in ihrer Kammer saß und Berge von Sellerie und Melonen verzehrte. Das Gorillaweibchen war wie ein dreijähriges Kind: ihr Repertoire an Verhaltensweisen war bald erschöpft, und ihre Konversation beschränkte sich auf vielleicht anderthalb Dutzend einfache Erklärungen. Bisweilen wunderte sich Grant, dass er einen sprechenden Gorilla als alltäglich hinnehmen konnte.
Auf der anderen Seite war Sheena so massig und stark, dass sie Grant ängstigte, obgleich sie keine Neigung zur Gewalttätigkeit zeigte. Aber jedes Mal, wenn er in die tiefbraunen Augen des Gorillas blickte, sah er etwas dort, ein Verstehen, eine Intelligenz, die ihn verunsichern konnte. Und manchmal hatte er Albträume, in denen Sheena plötzlich zu einem brüllenden, wütenden Ungeheuer wurde, das ihn mit den Bärenkräften ihrer kräftigen Arme erdrückte oder anfing, ihn in Stücke zu reißen.
Die einzige Spur von Befriedigung in Grants Leben waren die Delphine. Elegant und stromlinienförmig, glitten sie mühelos durch die großen Aquariumtanks, ein ständiges Lächeln in den Gesichtern. Dabei sprachen sie miteinander in knackenden und quietschenden Lauten wie eine Gruppe schwatzender Schulkinder.
Es gab sechs von ihnen in dem großen Becken, dazu ein Junges, das noch von der Mutter gesäugt wurde und mit jedem Tag merklich größer wurde. Sie schienen Grant zu beobachten, wenn er außerhalb ihres Tanks stand und sie betrachtete. Er glaubte zu sehen, wie ihre Augen sich auf ihn richteten. Wenn er ihnen zuwinkte, antworteten sie mit einem Ausbruch klickender und knackender Geräusche.
»Sie begrüßen Sie.«
Erschrocken fuhr Grant herum und sah Lane O’Hara ein paar Schritte entfernt stehen. Ihr Rollkragenpullover war von einem warmen Goldgelb; ein
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