Jupiter
»Sie sagten, Ihre Freunde nennen Sie Lane?«
Sie nickte.
»Ich hörte, wie jemand Sie Laynie nannte.«
Sie warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. »Und wer sollte das gewesen sein?«, fragte sie kalt.
Grant zögerte einen Moment und überlegte. »Karlstad, wenn ich mich recht erinnere.«
»Der liebe alte Egon«, murmelte sie.
»Ist Laynie ein besonderer Name? Ich meine… nun…«
»Es ist ein Name, den ich nicht gern höre. Nennen Sie mich Lane, bitte.«
Grant nickte, und sie gingen weiter zur Cafeteria. Sie schienen gegen den Strom zu schwimmen; eine Menge Leute kam ihnen entgegen, die meisten offenbar aus der Cafeteria.
»Was sagte Egon noch über mich?«, fragte O’Hara.
Ein Vorstellungsbild von ihr, wie sie nackt mit Karlstad unter den Delphinen schwamm, schoss Grant durch den Sinn. Aber er sagte: »Ach, nicht viel.«
»Egon hat die Gewohnheit, über seine Phantasien zu reden, als ob sie Wirklichkeit wären, müssen Sie wissen.«
»Verstehe.«
Sie machte Halt und zog Grant zur Seite des Korridors, wo sie ihn praktisch gegen die Wand drückte. Grant fühlte die Kraft ihres Zupackens an seinem Oberarm, die Heftigkeit des Zornes in ihren Augen.
»Er hat schon öfter Dinge über mich gesagt, wissen Sie. Dinge, die absolut unwahr sind.«
Grant blickte in die grünlichen Augen und sah den schwelenden Zorn.
»Was hat er Ihnen gesagt?«, verlangte sie zu wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Ich… ah, ich erinnere mich nicht genau. Es war an meinem ersten Tag hier. Vielleicht war er nicht derjenige, der es sagte; es saßen mehrere andere um den Tisch.«
»Und er riss vor allen das Maul auf.«
»Ich erinnere mich nicht«, log Grant.
»So schlimm also war es?«
Grant wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte nicht die Absicht, zu wiederholen, was Karlstad gesagt hatte – womit er geprahlt hatte.
O’Hara ließ ihn los und marschierte weiter zur Cafeteria, arbeitete sich trotz ihres Hinkens schnell und energisch durch die Menge. Grant folgte ihr.
Und natürlich saß Karlstad an einem der Tische, zusammen mit Patti Buono, Nacho und mehreren anderen. Quintero erzählte gerade eine Geschichte, über die sich alle vor Lachen ausschütteten. O’Hara schien sie nicht zu beachten; sie ging zur Essenausgabe und bediente sich mit einem Teller Suppe, einem belegten Brot, einem Früchtebecher und Mineralwasser.
Etwas erleichtert, aber noch vorsichtig, schob Grant sein Tablett hinter ihrem an der Essenausgabe entlang, bediente sich mit einem Sandwich und einem Salat. Als er einen Becher mit Fruchtsaft füllte, trug O’Hara ihr Tablett zu Karlstads Tisch.
Als Grant sich versorgt hatte und aufblickte, sah er, dass O’Hara den Tisch erreichte. Karlstad und die anderen merkten auf, ihr Gelächter verstummte. Grant fand, dass sie irgendwie schuldbewusst aussahen, aber das mochte eine Fehleinschätzung seiner überanstrengten Phantasie sein.
Karlstad blickte lächelnd zu O’Hara auf, als sie das Tablett neben ihn auf den Tisch stellte. Dann hob sie den Suppenteller auf und schleuderte ihm den Inhalt ins Gesicht.
Alles erstarrte. In der Cafeteria wurde es ganz still, nur Karlstads erschrockenes Schnaufen und Prusten war zu vernehmen. Suppe troff ihm von Ohren, Nase und Kinn, glitschig aufgeweichte Nudeln schmückten sein dünnes weißblondes Haar und die Schultern.
O’Hara sagte kein Wort. Sie lächelte bloß, nickte befriedigt über ihr Werk, dann hob sie ihr Tablett auf und trug es an einen anderen Tisch.
Quintero brach in brüllendes Gelächter aus. Karlstad sah ihn finster an, aber auch die anderen fingen an zu lachen.
Grant ließ sein Tablett stehen, wo es war, und ging hinaus. Er hatte kein Verlangen, in ein Kreuzfeuer zu geraten.
16. VORGELADEN
Während der nächsten Tage ging Grant sowohl Karlstad als auch O’Hara aus dem Weg. Er nahm einsiedlerische Gewohnheiten an, mied alle anderen, trug seine Mahlzeiten in sein Quartier und verließ es nur für die Dauer seiner Arbeitszeit. Aber es war unmöglich, dem Klatsch zu entgehen, der bis in den letzten Winkel der Station drang.
Es war ein Streit unter Liebenden, sagten einige. Andere behaupteten, O’Hara sei von Karlstad irgendwie beleidigt worden, und der Suppenguss sei ihre Rache gewesen. Nein, beharrten wieder andere: er habe sie abgewiesen, und sie habe ihn gedemütigt, weil er sie zuvor gedemütigt hätte.
Dann und wann sah er O’Hara, obwohl er sich bemühte, Begegnungen zu vermeiden. Sie arbeitete ständig mit den Delphinen, schwamm
Weitere Kostenlose Bücher