Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
sich niemanden besser als Klassensprecher vorstellen als Jan. Jan wird rot vor Stolz. Du wirst rot vor Wut. Wie kann der Klassenlehrer kurz vor der Wahl versuchen, das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen? Klar ist Jan ein netter Junge, und er würde bestimmt auch ein guter Klassensprecher sein. Aber Timm oder Stefanie wären mindestens genauso gut.
Gleiche Wahl – jede Stimme ist gleich viel wert
Jede Stimme, die bei den Wahlen abgegeben wird, zählt gleich. Der Fabrikant, der 20.000 Menschen Arbeit gibt, hat ebenso nur eine Stimme wie der arbeitslose Maurer. Der Millionär hat ebenso nur eine Stimme wie die arme Oma, die kaum ihre Miete zahlen kann. Die Mutter von vier Kindern hat ebenso nur eine Stimme wie die kinderlose Frau.
Nachdem der Vorschlag mit den «Wahlmännern und Wahlfrauen» genauso schlecht angekommen ist wie seine Wahlrede für Jan, schlägt euer Lehrer nun vor, dass die guten Schüler bei der Stimmabgabe drei Stimmen haben, die mittelprächtigen Schüler zwei Stimmen und die schlechten Schüler nur eine Stimme. Schließlich würden die guten Schüler dazu beitragen, dass der Unterricht einigermaßen gut funktioniere, sie hätten Interesse an einem geordneten Unterrichtsablauf. Ganz anders die schlechten Schüler. Sie würden immer wieder stören, sich nicht beteiligen und würden kein Gemeinschaftsinteresse zeigen. Daher sollten sie auch weniger Stimmen haben als die guten Schüler.
Du bist ein ganz guter Schüler und für dich wäre eine solche Regelung von Vorteil. Trotzdem meldest du dich zu Wort. Du bist der Meinung, dass jeder Schüler die gleiche Stimme haben sollte. Schließlich gehe es um den Klassensprecher, der die gesamte Klasse vertrete. Und die gesamte Klasse bestehe nun einmal aus guten und aus schlechten Schülern. Der Klassensprecher solle die schlechten Schüler genau so vertreten wie die guten Schüler.
Vor über 100 Jahren hatten die Wähler im Königreich Preußen tatsächlich unterschiedlich viele Stimmen. Man nannte es das «preußische Dreiklassenwahlrecht». Die Menschen, die viel Steuern gezahlt haben, hatten mehr Stimmen als diejenigen, die wenig Steuern gezahlt haben. Die Idee war damals, dass die Bürger, die den Staat mit ihren Steuern finanzierten, mehr zu sagen haben sollten als diejenigen, die keine oder wenig Steuern zahlten. Eine solche Regelung ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daher ist auch ein «Familienwahlrecht» problematisch, das manche Politiker einführen möchten. Danach hätten Familien mit Kindern mehr Stimmen als Familien ohne Kinder.
Geheime Wahl – Nur der Wähler weiß, wen er wählt
Die Wahlen zum Bundestag werden in geheimer Wahl durchgeführt.
Ihr habt die Wahl zum Klassensprecher immer noch nicht durchgeführt. Die Schulstunde neigt sich dem Ende zu. Daher sagt euer Klassenlehrer: «Wir führen die Wahl heute nicht geheim durch. Es würde zu lange dauern, die Zettel auszuzählen. Wir stimmen per Handzeichen ab. Jeder, der für Jan ist, hebt bitte jetzt die Hand.» Du denkst: «Jetzt schlägt’s aber dreizehn. Jetzt soll auch noch öffentlich abgestimmt werden. Und das, wo ich nicht Jan, sondern Timm wählen will. Ob ich mich das trotzdem traue? Nicht, dass ich in Deutsch ’ne 4 bekomme. Ich stehe doch auf der Kippe.»
Jeder Wähler hat das Recht, dass niemand erfährt, was er gewählt hat. Daher gibt es auch die Wahlkabinen, die du sicher kennst. Eine Wahlkabine ist ein Sichtschutz, hinter dem man seine Stimme abgibt. Die geheime Wahl ist unverzichtbar. Es ist nicht erlaubt, dass man seine Stimme öffentlich abgibt, also nicht in die Wahlkabine geht. Man will vermeiden, dass auf diese Weise Druck auf den Wähler ausgeübt wird: «Was, du hast es nötig in die Wahlkabine zu gehen? Wen du wohl wählst!»
Am Ende der Schulstunde sagt euer Klassenlehrer zu euch: «Das war eine prima Schulstunde, ihr habt toll mitgearbeitet. Zwar haben wir heute nicht den Klassensprecher gewählt. Das wollte ich aber auch gar nicht. Ich wollte euch zeigen, welche Wahlprinzipien das Grundgesetz vorsieht. Und ich verspreche euch: In der nächsten Stunde wird der Klassensprecher gewählt. Und diese Wahl wird so durchgeführt werden, wie es sein soll: Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.»
Nach der Durchführung der Bundestagswahlen stehen die 598 Abgeordneten fest, die in den Deutschen Bundestag nach Berlin einziehen. Die Abgeordneten kommen aus ganz Deutschland, etwa aus München, Hamburg, Leipzig, Braunschweig oder Köln. Sie haben
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