Jurassic Park
hing im Wagen. Er leuchtete mit der Taschenlampe umher, bis er das Erbrochene entdeckte, das von der Verkleidung der Seitentür tropfte. Er berührte es: noch frisch. »Eins der Kinder lebt vielleicht noch«, sagte er.
Gennaro sah ihn schief an. »Wie kommen Sie darauf?«
»Wegen der Uhr«, erwiderte Muldoon. »Die Uhr beweist es.« Er gab Gennaro die Uhr, der sie im Schein der Taschenlampe von allen Seiten betrachtete.
»Die Anzeige ist kaputt«, sagte Gennaro.
»Genau. Aber das Band ist intakt.«
»Und das heißt?«
»Daß der Junge sie abgenommen hat.«
»Das hätte jederzeit passieren können«, sagte Gennaro. »Jederzeit vor dem Angriff.«
»Nein«, entgegnete Muldoon. »Diese LCD-Dinger sind sehr widerstandsfähig. Da muß man fest zuschlagen, um die kaputtzukriegen. Das Glas wurde beim Angriff zerbrochen.«
»Deshalb hat der Junge sie abgenommen.«
»Überlegen Sie mal«, sagte Muldoon. »Wenn ein Tyrannosaurier Sie angreifen würde, hätten Sie da Zeit, die Uhr abzunehmen?«
»Vielleicht wurde sie ihm abgerissen.«
»Es ist praktisch unmöglich, jemand die Uhr vom Arm zu reißen, ohne die Hand mit abzureißen. Außerdem ist das Band intakt. Nein. Der Junge hat sie selber abgenommen. Er hat auf die Uhr gesehen, gemerkt, daß sie kaputt ist, und sie abgenommen. Und er hatte Zeit dafür.«
»Wann?«
»Es kann nur nach dem Angriff gewesen sein«, antwortete Muldoon. »Der Junge muß nach dem Angriff in dem Auto gewesen sein. Und da das Funkgerät kaputt war, hat er es ebenfalls hiergelassen. Er ist ein kluger Junge, er wußte genau, daß ihm beides nichts mehr nützte.«
»Wenn er so klug ist«, sagte Gennaro, »warum ist er dann weggelaufen? Ich würde nämlich hierbleiben und warten, bis man mich holt.«
»Schon«, erwiderte Muldoon. »Aber vielleicht konnte er nicht bleiben. Vielleicht ist der Tyrannosaurier zurückgekommen. Oder ein anderes Tier. Es gibt sicher einen Grund, warum er weggelaufen ist.«
»Und wohin ist er?«
»Mal sehen, ob wir das herausfinden«, sagte Muldoon und ging in Richtung Straße davon.
Gennaro sah, wie Muldoon mit seiner Taschenlampe den Boden absuchte. Er suchte sehr konzentriert, sein Gesicht war nur Zentimeter vom Schlamm entfernt. Muldoon war überzeugt, daß er eine Spur gefunden hatte und daß wenigstens eins der Kinder noch lebte. Aber Gennaro ließ sich davon nicht beeindrucken. Nach dem Schock des abgetrennten Beines war Gennaro fest entschlossen, den Park zu schließen und ihn zu zerstören. Was Muldoon auch sagte, auf Gennaro wirkte es wie unangebrachter Enthusiasmus und Optimismus und -
»Sehen Sie die Spuren?« fragte Muldoon, ohne den Blick vom Boden zu nehmen.
»Welche Spuren?«
»Diese Fußspuren. Sehen Sie, wie sie von der Straße auf uns zukommen? Und von der Größe her stammen die von einem Erwachsenen. Eine Art Gummisohle. Sehen Sie die deutlichen Profilabdrücke...«
Gennaro sah nur Schlamm. Und Pfützen, in denen sich das Licht der Taschenlampe brach.
»Wie Sie sehen«, fuhr Muldoon fort, »führen die Erwachsenenspuren hierher, wo sie auf andere treffen. Kleine und mittelgroße... sie bilden Kreise, überschneiden sich... fast so, als wären sie beieinandergestanden und hätten sich unterhalten... Und da, das sieht aus, als wären sie davongerannt...«Er deutete eine Richtung an. »Dorthin. In den Park.«
Gennaro schüttelte den Kopf. »In diesen Schlamm könnte man alles Mögliche hineindeuten.«
Muldoon stand auf und trat einen Schritt zurück. »Sie können sagen, was Sie wollen, aber ich rechne damit, daß eins der Kinder überlebt hat. Vielleicht beide. Und vielleicht sogar ein Erwachsener, wenn diese großen Abdrücke von einem anderen stammen als von Regis. Wir müssen den Park absuchen.«
»Bei Nacht?« fragte Gennaro.
Aber Muldoon hörte ihn schon nicht mehr. Er ging auf eine Aufschüttung aus weicher Erde zu, neben der ein Abflußrohr verlief. Dort bückte er sich wieder. »Was hat das kleine Mädchen angehabt?«
»Mein Gott«, sagte Gennaro. »Das weiß ich doch nicht.« Sorgfältig suchend, bewegte Muldoon sich auf den Straßenrand zu. Plötzlich hörten sie ein Keuchen. Es klang eindeutig nach einem Tier.
»Hören Sie«, sagte Gennaro, der es mit der Angst bekam. »Ich glaube, wir sollten besser -«
»Pscht«, machte Muldoon. Er hielt inne und horchte.
»Es ist nur der Wind«, sagte Gennaro. Wieder hörten sie das Keuchen, diesmal sehr deutlich. Es war nicht der Wind. Es kam aus den Büschen direkt
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