Jurassic Park
waren zwar durch den Zaun vom Fluß getrennt, aber die Tiere konnten ihr gefährliches Gift durch die Maschen hindurchspucken. Ramón, einer der Arbeiter, kam zu ihm. »Señor Muldoon«, sagte er. »Haben Sie die Lichter gesehen?«
»Welche Lichter?« fragte Muldoon.
Ramón zeigte nach Osten in den Dschungel hinein. »Ich hab sie beim Herkommen bemerkt. Dort drüben, aber sie sind sehr schwach. Sehen Sie? Sie sehen aus wie die Scheinwerfer eines Autos, aber sie bewegen sich nicht.«
Muldoon kniff die Augen zusammen. Wahrscheinlich waren es nur irgendwelche Kontrollichter. Schließlich war der Strom ja wieder da. »Wir kümmern uns später darum«, sagte er. »Jetzt müssen wir erst einmal den Baum vom Zaun wegbringen.«
Arnold war guter Laune. Der Park funktionierte schon beinahe wieder 100prozentig, Muldoon reparierte die Zäune, und Hammond war mit Harding unterwegs, um den Rücktransport der Tiere zu überwachen. Trotz seiner Müdigkeit fühlte Arnold sich gut; er war sogar in Stimmung, sich mit dem Anwalt, Gennaro, abzugeben. »Der Malcolm-Effekt?« sagte Arnold. »Sie machen sich darüber Sorgen?«
»Ich bin nur neugierig«, erwiderte Gennaro.
»Das heißt, Sie wollen, daß ich Ihnen erkläre, warum Ian Malcolm unrecht hat?«
»Klar.«
Arnold zündete sich eine neue Zigarette an. »Es ist etwas Technisches.«
»Versuchen Sie es trotzdem.«
»Okay«, sagte Arnold. »Die Chaostheorie beschreibt nichtlineare Systeme. Es ist eine Theorie, die inzwischen auf so ziemlich alles angewandt wird, von der Entwicklung des Aktienmarktes über randalierende Massen bis hin zum Verlauf von Hirnwellen bei einem epileptischen Anfall. Eine sehr modische Theorie. Es liegt voll im Trend, sie auf komplexe Systeme anzuwenden, bei denen es zu Unberechenbarkeiten kommen kann, okay?«
»Okay«, sagte Gennaro.
»Ian Malcolm ist ein Mathematiker, der sich auf diese Chaostheorie spezialisiert hat. Nun ist er ja recht sympathisch und amüsant, aber eigentlich tut er außer Schwarz tragen nichts anderes als mit Computermodellen das Verhalten komplexer Systeme zu simulieren. Und da John Hammond auf alles steht, was in der Wissenschaft gerade der letzte Schrei ist, hat er Malcolm gebeten, ein solches Modell für den DinoPark zu erstellen. Was Malcolm dann auch getan hat. Malcolms Modelle sind grafische Abbildungen von Kurven im Phasenraum. Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«
»Nein«, erwiderte Gennaro.
»Na, die sehen aus wie komisch verdrehte Schiffsschrauben. Nach Malcolm folgt das Verhalten eines beliebigen Systems der Oberfläche der Schraube. Können Sie mir folgen?«
»Nicht ganz.«
Arnold streckte die Hand aus. »Nehmen wir einmal an, ich habe einen Wassertropfen auf meinem Handrücken. Der Tropfen wird herunterlaufen. Vielleicht läuft er zum Handgelenk. Vielleicht läuft er aber auch auf den Daumen zu oder zwischen den Fingern hindurch. Ich weiß nicht genau, in welche Richtung er läuft, aber ich weiß, daß er an der Oberfläche meiner Hand entlangläuft. Es bleibt ihm nichts anderes übrig.«
»Okay«, sagte Gennaro.
»Die Chaostheorie behandelt das Verhalten eines ganzen Systems wie einen Wassertropfen, der an einer komplizierten Schraubenoberfläche entlangläuft. Vielleicht läuft er spiralförmig nach unten, vielleicht aber auch auf den äußeren Rand zu. Er kann alles mögliche tun. Aber er wird immer an der Oberfläche der Schraube entlanglaufen.«
»Okay.«
»Malcolms Modelle haben häufig eine zerklüftete Oberfläche mit steilen Abhängen, an denen der Tropfen stark an Geschwindigkeit gewinnt. Und diese Beschleunigung nennt er ganz bescheiden den Malcolm-Effekt. Das ganze System könnte plötzlich zusammenbrechen. Und genau das hat er über den DinoPark gesagt. Daß er eine inhärente Instabilität besitzt.«
»Inhärente Instabilität«, wiederholte Gennaro. »Und was haben Sie aufgrund dieser Studie unternommen?«
»Wir haben sie natürlich ignoriert«, erwiderte Arnold. »War das vernünftig?«
»Selbstverständlich«, sagte Arnold. »Schließlich haben wir es hier mit lebenden Systemen zu tun. Mit dem Leben selbst, nicht mit Computermodellen.«
Im grellen Licht der Quarzlichter sah man den grünen Kopf des Hypsilophodons aus der Schlinge heraushängen. Die Zunge baumelte ihm aus dem Maul, die Augen blickten starr.
»Vorsichtig! Vorsichtig!« rief Hammond, als der Kran das Tier anhob.
Harding grunzte und schob den Kopf wieder auf die Lederriemen. Er wollte nicht, daß die
Weitere Kostenlose Bücher