Jurassic Park
Antibiotika und Impfstoffen - und die Entlastung durch Forschungslaboratorien in Nairobi und São Paulo hatten dem TDL viel von seiner früheren Bedeutung genommen. Inzwischen war es zu einem Bruchteil seiner früheren Größe geschrumpft und beschäftigte nur noch zwei Vollzeittechniker, die sich vorwiegend mit der Diagnose von Krankheiten beschäftigten, die New Yorker von Auslandsreisen mitgebracht hatten. So kam es, daß die Sendung, die an diesem Morgen eintraf, den Alltagstrott des Labors eher störte. »Oh, sehr hübsch«, bemerkte die Laborantin des Tropeninstituts, als sie die Zollbescheinigung las. »Teilweise zerkautes Fragment einer unidentifizierten costaricanischen Echse.« Sie rümpfte die Nase. »Das ist etwas für Sie, Dr. Stone.«
Der weiße Plastikzylinder war etwa so groß wie eine Zweiliterflasche. Er hatte metallene Verschlußklammern und einen Schraubdeckel. Neben der Aufschrift INTERNATIONALER BIOLOGISCHER PROBENBENBEHÄLTER drängten sich Aufkleber und Warnungen in vier Sprachen. Die Warnungen sollten verhindern, daß irgendein mißtrauischer Zollbeamter den Zylinder öffnete.
Offensichtlich hatten die Warnungen funktioniert, denn als Richard Stone die große Untersuchungslampe zu sich drehte, sah er, daß die Plomben noch intakt waren. Stone schaltete die Luftfilteranlage an und zog Gummihandschuhe und eine Gesichtsmaske über; immerhin hatte das Labor erst vor kurzem Fälle von venezuelanischem Pferdefieber, japanischer B-Enzephalitis, des Kyasanur-Forest-Virus, des Langat-Virus sowie von Mayoro identifiziert. Dann schraubte Stone den Deckel ab.
Es gab ein Zischen von entweichendem Gas, und weißer Nebel quoll heraus. Der Zylinder wurde eiskalt. Im Innern fand er eine Plastiktüte mit Klemmverschluß, die etwas Grünes enthielt. Stone breitete eine Papierunterlage auf dem Tisch aus und schüttelte den Inhalt aus der Tüte. Mit einem dumpfen Schlag fiel ein gefrorenes Stück Fleisch auf den Tisch.
»Puh«, machte die Laborantin. »Sieht angefressen aus.«
»Aber wirklich«, sagte Stone. »Was wollen die von uns?«
Die Laborantin sah in die beigefügten Unterlagen. »Echse beißt Kinder. Sie haben Probleme mit der Identifikation der Echsenart und machen sich Sorgen wegen möglicher Übertragung von Krankheiten durch die Bisse.« Sie zog die Kinderzeichnung einer Echse mit der Unterschrift TINA hervor.
»Eins der Kinder hat die Echse gezeichnet.«
Stone betrachtete das Bild. »Wir können die Art natürlich nicht identifizieren«, sagte er. »Aber Krankheitserreger können wir ziemlich schnell abchecken, wenn wir nur etwas Blut aus diesem Fragment herausbekommen. Wie nennen sie dieses Tier?«
» Basiliscus amoratus mit genetischer Dreizehenanomalie«, antwortete sie lesend.
»Okay«, sagte Stone. »Dann wollen wir mal anfangen. Während wir warten, bis es aufgetaut ist, machen Sie eine Röntgenaufnah me und Polaroids für die Akten. Sobald wir Blut bekommen, beginnen Sie mit den Antikörpertestreihen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn es Probleme gibt.«
Kurz vor Mittag hatte das Labor die Ergebnisse: Das Eidechsenblut zeigte keine signifikanten Reaktionen auf virale oder bakterielle Antigene, und die zusätzlich vorgenommene Toxizitätsprüfung war nur in einem einzigen Fall positiv: Das Blut reagierte schwach mit dem Gift der indischen Königskobra. Eine solche Immunreaktion war zwischen Reptilienarten sehr häufig, und Dr. Stone hielt es deshalb nicht für nötig, sie in dem Fax zu erwähnen, das seine Laborantin noch am gleichen Abend an Dr. Martin Guitierrez schickte.
Der Versuch einer Identifikation der Echse stand nie zur Debatte; das mußte bis zur Rückkehr von Dr. Simpson warten. Da er erst in einigen Wochen zurückerwartet wurde, bat seine Sekretärin das TDL, das Fragment in der Zwischenzeit aufzubewahren. Dr. Stone steckte es wieder in die Plastiktüte und legte es in den Gefrierschrank.
Marty Guitierrez las das Fax, das er vom Tropical Diseases Laboratory der Columbia University erhalten hatte. Es war nur kurz:
Untersuchungsgegenstand:
Basiliscus amoratus mit genetischer Anomalie (aus Dr. Simpsons Büro)
Material:
Hinteres Teilstück eines angefressenen (?) Tieres
Angewandte Röntgenolog., mikroskop., immunolog. Methoden:
Untersuchungen auf virale, parasitische, bakterielle Krankheiten.
Befunde:
Keine histologischen oder immunologischen Hinweise auf eine
auf den Menschen übertragbare Krankheit bei dieser Basi- liscus-amoratus-
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