Jurassic Park
Alice Levin in das Labor für Tropenkrankheiten spaziert, hätte Tina Bowmans Bild entdeckt und sofort ausgerufen: »Oh, welches Kind hat denn den Dinosaurier gezeichnet?«
»Was?« sagte Richard Stone und drehte sich langsam zu ihr um. »Den Dinosaurier. Das ist doch einer, oder? Mein Kind zeichnet sie die ganze Zeit.«
»Das ist irgendeine Echse«, erwiderte Stone. »Haben wir aus Costa Rica bekommen. Ein Kind da unten hat sie gezeichnet.«
»Nein«, sagte Alice Levin und schüttelte den Kopf, »sehen Sie es sich doch an. Es ist ganz deutlich: großer Kopf, langer Hals, steht auf den Hinterlaufen, dicker Schwanz. Das ist ein Dinosaurier.«
»Unmöglich. Das Tier war nur 30 Zentimeter hoch.«
»Und? Es gab auch kleine Dinosaurier«, entgegnete Alice. »Glauben Sie mir, ich weiß das. Die kleinsten Dinosaurier waren noch kleiner als 30 Zentimeter. Babysaurus oder so ähnlich, ich weiß auch nicht genau. Diese Namen sind einfach unmöglich. Sobald man älter als zehn ist, kann man sie nicht mehr behalten.«
»Sie verstehen nicht«, sagte Richard Stone. »Das ist eine Zeichnung von einem Tier, das bis vor kurzem noch gelebt hat. Man hat uns ein Teilstück dieses Tiers geschickt. Es liegt jetzt im Gefrierschrank.« Stone holte es und schüttelte es aus der Tüte. Alice Levin betrachtete das gefrorene Stück Bein und Schwanz und zuckte die Achseln. Sie rührte es nicht an.
»Ich weiß auch nicht«, sagte sie, »aber für mich sieht das aus wie ein Dinosaurier.«
Stone schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?« wollte Alice Levin wissen. »Möglich ist es. Es konnte ein Überbleibsel oder ein Relikt sein, oder wie man das nennt.«
Stone schüttelte nur weiter den Kopf. Alice hatte keine Ahnung; sie war eine Technikerin aus dem bakteriologischen Labor am anderen Ende des Gangs. Außerdem hatte sie eine sehr lebhafte Phantasie. Er erinnerte sich noch gut an die Zeit, als sie glaubte, einer der beiden Pfleger aus dem Krankenhaus stelle ihr nach... »Wissen Sie, Richard«, sagte Alice Levin, »wenn das wirklich ein Dinosaurier ist, dann könnte es eine Riesensache werden.«
»Es ist kein Dinosaurier.«
»Hat das schon jemand nachgeprüft?«
»Nein«, antwortete Stone.
»Na, dann bringen Sie es doch ins Naturkundliche Museum oder sonstwohin«, schlug Alice Levin vor. »Das sollten Sie wirklich.«
»Das wäre mir peinlich.«
»Soll ich es für Sie tun?« fragte sie.
»Nein«, erwiderte Richard Stone. »Das will ich nicht.«
»Sie werden also gar nichts tun?«
»Überhaupt nichts.« Er legte die Tüte wieder in den Gefrierschrank und schlug die Tür zu. »Das ist kein Dinosaurier, das ist eine normale Echse. Aber egal was es ist, es kann warten, bis Dr. Simpson aus Borneo zurück ist, um es zu identifizieren. Das ist mein letztes Wort, Alice. Diese Echse kommt nirgendwohin.«
Zweite Iteration
»Bei nachfolgenden Darstellungen des
Fraktals können plötzliche Verände-
rungen auftreten.«
lan Malcolm
Die Küste des Binnenmeeres
Tief gebückt kauerte Alan Grant auf der Erde, die Nase nur wenige Zentimeter vom Boden entfernt. Das Thermometer zeigte beinahe
40 Grad. Seine Knie schmerzten, trotz der Beinschützer, die er trug. Seine Lunge brannte von dem beißenden alkalischen Staub. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf den Boden. Doch Grant beachtete das alles nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf das wenige Quadratzentimeter große Fleckchen Erde vor ihm gerichtet.
Mit einem Zahnstocher und einem Kamelhaarpinsel legte er geduldig das winzige L-förmige Fragment eines Kieferknochens frei. Es war kaum drei Zentimeter lang und gerade so dick wie sein kleiner Finger. Die Zähne waren eine Reihe kleiner Spitzen und zeigten die charakteristische leichte Krümmung nach innen. Knochenpartikel blätterten ab, als er weitergrub, und er bestrich deshalb den Knochen mit einem Konservierungsmittel. Es gab keinen Zweifel, daß es sich um den Kieferknochen eines fleischfressenden Dinosaurierjungen handelte. Sein Besitzer war vor 79 Millionen Jahren gestorben, im Alter von circa zwei Monaten. Mit etwas Glück fand Grant vielleicht auch noch das übrige Skelett. Und das wäre dann das erste vollständige Skelett eines jungen fleischfressenden... »He, Alan!«
Alan Grant hob den Kopf und blinzelte in die Sonne. Er schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und wischte sich mit dem Handrükken den Schweiß von der Stirn.
Grant kauerte an einer Hügelflanke im Ödland außerhalb von Snakewater, Montana.
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