Jurassic Park
Unter der riesigen blauen Himmelskuppel erstreckten sich stumpfe Hügel und nackte, bröselige Kalksteinfelsen meilenweit in jede Richtung. Es gab keinen Baum, keinen Busch. Nichts als kahlen Fels, heiße Sonne und heulenden Wind. Zufällige Besucher fanden das Ödland deprimierend und trostlos, aber wenn Grant diese Landschaft betrachtete, sah er etwas ganz anderes. Dieses nackte Land war der Überrest einer vollkommen anderen Welt, die vor 80 Millionen Jahren untergegangen war. In seiner Vorstellung sah Grant sich mitten in einem schwülen Sumpfland, das die Küstenlinie eines riesigen Binnenmeeres bildete. Dieses Binnenmeer war 1500 Kilometer breit und erstreckte sich von den damals frisch aufgeworfenen Rocky Mountains bis zu den spitzen, zerklüfteten Gipfeln der Appalachians. Der gesamte amerikanische Westen lag damals unter Wasser.
Zu jener Zeit hatten dünne, vom Rauch der nahen Vulkane geschwärzte Wolken den Himmel bedeckt, und die Atmosphäre war dichter, reicher an Kohlendioxid. Die Pflanzen wuchsen sehr schnell an diesem Küstenstrich. Es gab keine Fische in diesen Gewässern, aber Muscheln und Schnecken boten reiche Nahrung. Pterosaurier senkten ihre Köpfe, um die Algen an der Oberfläche abzufressen. Ein paar fleischfressende Dinosaurier durchstreiften die Palmwälder an den sumpfigen Rändern des Sees. Vor der Küste lag eine kleine Insel, nur einen knappen Hektar groß. Umgeben von einem Gürtel dichter Vegetation, bildete diese Insel ein behütetes Schutzgebiet, wo Herden pflanzenfressender Entenschnabelsaurier ihre Eier in Gemeinschaftsnester legten und ihre quiekenden Jungen aufzogen.
In den Jahrmillionen, die folgten, wurde der blaßgrüne, alkalische See immer flacher und verschwand schließlich ganz. Das nackte Land verdorrte in der Hitze und bekam Risse. Und aus der Insel vor der Küste mit ihren Dinosauriereiern wurde der erodierte Hügel im nördlichen Montana, auf dem Alan Grant nun stand. »He, Alan!«
Grant, ein breitschultriger, bärtiger Vierzigjähriger, stand auf. Er hörte das Tuckern des fahrbaren Generators und das entfernte Rattern des Preßlufthammers, der sich in das dichte Gestein des Nachbarhügels bohrte. Er sah die Jungen rund um den Preßlufthammer arbeiten; sie schleppten große Felsbrocken weg, nachdem sie sie nach Fossilien abgesucht hatten. Als er den Hügel hinunterschaute, fiel sein Blick auf die sechs Tipis seines Lagers, das flatternde Kantinenzelt und den Wohnwagen, der ihnen als Feldlabor diente. Und dann sah er Ellie, die ihm aus dem Schatten des Feldlabors heraus zuwinkte. »Ein Besucher!« rief sie und deutete nach Westen.
Grant sah eine Staubwolke und die blaue Ford-Limousine, die über die furchige Straße auf das Lager zuholperte. Er sah auf die Uhr: pünktlich zur vereinbarten Zeit. Die Jungen am anderen Hügel sahen interessiert auf. In Snakewater bekam man nicht viel Besuch, und es hatte schon eine Menge Spekulationen gegeben, was denn ein Anwalt von der Umweltschutzbehörde von Alan Grant wolle.
Doch Grant wußte, daß die Paläontologie, das Studium ausgestorbenen Lebens, in den letzten Jahren eine unerwartete Bedeutung für die moderne Welt bekommen hatte. Die moderne Welt änderte sich sehr schnell, und drängende Fragen zum Wetter, zur Entwaldung, zur globalen Erwärmung und zur Ozonschicht schienen oft mit Hilfe von Informationen aus der Vergangenheit zumindest teilweise zu beantworten zu sein. Informationen also, die Paläontologen liefern konnten. In den letzten Jahren war Grant zweimal um ein Expertengutachten gebeten worden.
Grant ging den Hügel hinunter, um den Besuch zu empfangen. Der Besucher hustete in dem weißen Staub, als er die Tür zuschlug. »Bob Morris von der Umweltschutzbehörde«, sagte er und streckte die Hand aus. »Vom Büro in San Francisco.«
Grant stellte sich vor und sagte dann: »Ihnen scheint ziemlich warm zu sein. Wollen Sie ein Bier?«
»Mein Gott, ja«, erwiderte Morris. Er war Ende 20 und trug Hemd,
Krawatte und die Hose eines Straßenanzugs. In der freien Hand hielt er eine Aktentasche. Seine Schuhe mit den perforierten Kappen knirschten über die Steine, während sie zum Wohnwagen gingen.
»Oben auf dem Hügel dachte ich zuerst, das hier sei ein Indianerreservat«, sagte Morris und zeigte auf die Tipis.
»Nein«, erwiderte Grant. »Nur die beste Art, hier draußen zu wohnen.« Grant erklärte, daß sie 1978, im ersten Jahr der Ausgrabungen, mit North-Slope-Achtflächenzelten angefangen hätten, den
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