Jurassic Park
Zunge war schwer.
» Raptor «, sagte er. » Lo sa raptor ...«
Bei diesen Worten erstarrte Manuel und trat entsetzt einen Schritt zurück.
»Was heißt das?« fragte Bobbie. Manuel schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Doktor. > Lo sa raptor< - no es español .«
»Nein?« In ihren Ohren hatte es spanisch geklungen. »Dann waschen Sie ihn bitte weiter.«
»Nein, Doktor.« Er rümpfte die Nase. »Schlimmer Gestank.« Und er bekreuzigte sich.
Bobbie sah sich wieder den schmierigen Schaum an, der in Schlieren die Wunden bedeckte. Sie berührte ihn und verrieb ihn zwischen ihren Fingern. Es war fast wie Speichel...
Der Junge bewegte die Lippen. » Raptor «, flüsterte er.
»Es hat ihn gebissen«, sagte Manuel entsetzt.
»Was hat ihn gebissen?«
»Raptor.«
»Was ist ein Raptor?«
»Es bedeutet hupia .«
Bobbie runzelte die Stirn. Die Costaricaner waren zwar nicht sehr abergläubisch, aber von hupia hatte sie im Dorf schon öfters gehört. Es waren angeblich Nachtgeister, gesichtslose Vampire, die kleine Kinder entführten. Der Legende nach hatten sie früher in den Bergen von Costa Rica gelebt, sich inzwischen aber auf die Inseln vor der Küste zurückgezogen.
Murmelnd und sich bekreuzigend wich Manuel immer weiter zurück.
»Das ist doch nicht normal, dieser Gestank«, sagte er. »Es ist der hupia. «
Bobbie wollte ihm eben befehlen, wieder an seine Arbeit zu gehen, als der verletzte Junge sich kerzengerade aufsetzte. Manuel kreischte vor Entsetzen. Der Junge stöhnte und warf den Kopf hin und her, blickte mit weit aufgerissenen, starren Augen nach links und nach rechts und spuckte plötzlich einen Schwall Blut. Dann krümmte er sich zusammen, sein Körper bebte, und Bobbie griff nach ihm, aber er glitt zuckend vom Tisch auf den Boden. Er erbrach noch einmal Blut. Es spritzte überall hin. Ed öffnete die Tür, fragte: »Was ist denn hier los?«, und als er das Blut sah, wandte er sich ab und hielt sich die Hand vor den Mund. Bobbie griff nach einem Holzstab, um ihn dem Jungen zwischen die zusammengebissenen Zahne zu schieben, aber noch in der Bewegung merkte sie, daß es keinen Sinn mehr hatte. Er zuckte noch einmal, erschlaffte dann und lag still.
Sie beugte sich über ihn, um ihn von Mund zu Mund zu beatmen,aber Manuel packte sie heftig an der Schulter und riß sie zurück.
»Nein«, sagte er. »Der hupia springt über.«
»Um Himmels willen, Manuel -«
» No .« Er starrte sie wild entschlossen an. »Nein. Sie verstehen diese Dinge nicht.«
Bobbie betrachtete den Körper am Boden und merkte, daß es gleichgültig war, sie konnte den Jungen nicht wiederbeleben. Manuel rief nach den Männern, die ins Zimmer kamen und die Leiche wegbrachten. Ed kehrte zurück, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und murmelte: »Ich bin sicher, daß Sie alles getan haben, was in Ihrer Macht stand.« Bobbie sah zu, wie die Männer mit der Leiche auf den Hubschrauber zugingen und dieser sich dröhnend in die Luft erhob »Es ist besser so«, sagte Manuel.
Bobbie dachte an die Hände des verletzten Jungen. Seine Hände waren mit Schnitten und blauen Flecken übersät gewesen: typische Verteidigungswunden. Sie war sich ziemlich sicher, daß er nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalls gestorben war; er war angegriffen worden und hatte die Hände zum Schutz gegen den Angreifer gehoben. »Wo liegt diese Insel, von der sie gekommen sind?« fragte sie.
»Im Meer. Vielleicht 150 oder 200 Kilometer vor der Küste.«
»Ziemlich weit weg für ein Touristenzentrum«, sagte sie. Manuel sah dem Hubschrauber nach »Ich hoffe, die kommen nie wieder zurück«
Hm, dachte sie, wenigstens habe ich die Fotos. Doch als sie sich zum Tisch umdrehte, war die Kamera verschwunden.
Später am Abend hörte es schließlich auf zu regnen. Bobbie saß allein in ihrem Schlafzimmer hinter der Krankenstation und blätterte in ihrem zerfledderten Spanischlexikon. Der Junge hatte »Raptor« gesagt, und trotz Manuels Protesten vermutete sie, daß es sich um ein spanisches Wort handelte. Und natürlich fand sie es im Lexikon. Es bedeutete »Schänder« oder »Entführer«. Das ließ sie stutzen. Die Bedeutung des Wortes war der von hupia verdächtig ähnlich, Natürlich war sie nicht abergläubisch. Und die Verletzungen an diesen Händen stammten nicht von einem Geist. Was hatte der Junge ihr sagen wollen?
Sie hörte Stöhnen aus dem angrenzenden Zimmer. Eine der Frauen aus dem Dorf lag in den Wehen, und Elena Morales, die
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