Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
Vom Netzwerk:
eine Kasse verbannen zu lassen. Ich war entschlossen, einen besseren und lukrativeren Job zu finden, und war glücklich, dass ich beim Argosy Book Store auf der Fifty-ninth Street anfangen konnte. Sie handelten mit alten und seltenen Büchern, Drucken und Karten. Sie hatten eigentlich keine Stelle für eine Verkäuferin frei, aber der alte Mann, der dafür zuständig war, stellte mich, vielleicht durch meinen Enthusiasmus verleitet, als auszubildende Restauratorin ein. Ich saß an meinem dunklen, schweren Tisch überhäuft mit Bibeln aus dem achtzehnten Jahrhundert, Leinwandstücken, Archivband, Hasenleim, Bienenwachs und Buchbindernadeln und war davon wie erschlagen. Unglücklicherweise hatte ich keinerlei Talent für diese Aufgabe, und sie mussten mich, wenn auch mit Bedauern, wieder gehen lassen.

    Ich war ziemlich traurig, als ich nach Hause kam. Uns stand ein harter Winter bevor. Robert deprimierte es, die volle Stundenzahl bei FAO Schwarz zu arbeiten. Die Arbeit als Schaufensterdekorateur regte zwar seine Fantasie an, und er machte Skizzen für Installationen. Aber er zeichnete immer weniger. Wir lebten von Brot vom Vortag und Dinty Moore Beef Stew. Wir hatten nicht das Geld, irgendwo hinzugehen, hatten keinen Fernseher, kein Telefon, kein Radio. Wir hatten aber unseren Plattenspieler, und während wir schliefen, lief die ganze Nacht ein- und dieselbe Platte.

    Ich musste einen neuen Job finden. Meine Freundin Janet Hamill war beim Scribner Bookstore angenommen worden, und wie damals im College fand sie wieder einen Weg, mir weiterzuhelfen und mich an ihrem Glück teilhaben zu lassen. Sie verwendete sich bei ihren Chefs für mich, und sie boten mir eine Stelle an. Es erschien mir wie ein Traumjob, im Buchladen eines so angesehenen Verlags zu arbeiten, dem Hausverlag von Leuten wie Hemingway und Fitzgerald und ihres Lektors, des großen Maxwell Perkins. Wo die Rothschilds ihre Bücher kauften und Gemälde von Maxfield Parrish im Treppenhaus hingen.
    Scribner war in einem wunderschönen, markanten Gebäude in der Fifth Avenue Nr. 597 untergebracht. Die Beaux-Arts-Architektur mit Glasfront war 1913 von Ernest Flagg entworfenworden. Hinter einer aufwendigen Glas- und Stahl-Konstruktion befand sich eine Halle, zweieinhalb Geschosse hoch, darüber ein Kuppeldach mit Oberlichtern. Jeden Tag stand ich auf, zog mich brav an und stieg dreimal um bis zum Rockefeller Center. Meine Uniform für Scribner war von Anna Karina in Die Außenseiterbande inspiriert: dunkler Pullover, karierter Rock, schwarze Strumpfhose und flache Schuhe. Sie teilten mich für die Telefonzentrale ein, wo die großherzige Faith Cross residierte, die immer für mich da war.
    Ich war glücklich, einer so traditionsreichen Buchhandlung anzugehören. Mein Gehalt war höher, und ich hatte Janet als Vertraute. Ich langweilte mich nur selten, und wenn ich rastlos wurde, schrieb ich auf die Rückseite von Scribner-Papier, wie Tom in Die Glasmenagerie, der seine Gedichte auf die Innenseite von Kartonverpackungen kritzelte.
    Robert verlor zunehmend den Mut. Er hatte lange Arbeitszeiten und verdiente trotzdem weniger als damals in seinem Teilzeitjob bei Brentano. Wenn er nach Hause kam, war er erschöpft und niedergeschlagen und machte eine Zeit lang überhaupt nichts Kreatives mehr.
    Ich beschwor ihn zu kündigen. Sein Job und sein karger Gehaltsscheck waren dieses Opfer nicht wert. Nach nächtelangen Diskussionen erklärte er sich endlich zögernd einverstanden. Im Gegenzug arbeitete er unermüdlich und konnte es kaum abwarten, mir zu zeigen, was er zustande gebracht hatte, während ich bei Scribner war. Ich bereute es nicht, dass ich die Aufgabe der Ernährerin übernommen hatte. Ich war in der Hinsicht etwas robuster und konnte auch in der Nacht noch kreativ sein. Ich war stolz, dass ich in der Lage war, ihm ein Umfeld zu schaffen, in dem er sich ohne Kompromisse auf seine Arbeit konzentrieren konnte.
    Wenn ich abends durch den Schnee nach Hause gestapft kam, wartete er in unserer Wohnung schon auf mich und begann sofort, mir die Hände warm zu rubbeln. Er schien unentwegt in Bewegung zu sein – er machte Wasser auf dem Herd heiß, zog mirdie Stiefel aus, hängte meinen Mantel auf und behielt doch immer seine Zeichnung im Auge, an der er gerade arbeitete. Wenn ihm etwas auffiel, hielt er einen Moment inne. Meistens schien es so, als hätte er sein Stück im Kopf längst fertig. Improvisieren lag ihm nicht. Es ging bei ihm nur um die Frage, etwas, das

Weitere Kostenlose Bücher