Just Kids
Leben. Robert stellte mich Judy Linn vor, die ebenfalls Grafik studierte, und wir mochten einander auf Anhieb. Judy wohnte um die Ecke, auf der Myrtle Avenue, über dem Waschsalon, in dem ich unsere Wäsche wusch. Sie war hübsch und intelligent und hatte einen schrägen Sinn für Humor – wie die junge Ida Lupino. Sie konzentrierte sich später auf Fotografie und arbeitete Jahre daran, ihre Dunkelkammer-Techniken zu perfektionieren. Mit der Zeit wurde ich zu ihrem Motiv, und von ihr stammen einige der frühesten Bilder von Robert und mir.
Am Valentinstag schenkte Robert mir eine Amethyst-Druse. Sie war blassviolett und fast so groß wie eine halbe Grapefruit. Er legte sie ins Wasser, und wir betrachteten die schimmernden Kristalle. Als Kind hatte ich davon geträumt, Geologin zu werden. Ich erzählte Robert, wie ich mit einem alten Hammer, den ich mir an die Hüfte geknotet hatte, stundenlang nach interessanten Steinen suchen konnte. »Ist nicht wahr, Patti. Unglaublich«, sagte er lachend.
Mein Geschenk für ihn war ein Elfenbeinherz, in dessen Mitte ein Kreuz geschnitzt war. Irgendetwas an diesem Objekt entlockte ihm eine seiner seltenen Kindheitsgeschichten, und er erzählte mir, wie er und die anderen Messdiener heimlich den Privatschrank des Priesters durchwühlt und den Messwein getrunkenhatten. Der Wein war ihm egal; es war das komische Flattern im Bauch, das ihn reizte, das prickelnde Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.
Anfang März fand Robert einen Job als Kartenabreißer für das neu eröffnete Fillmore-East-Theater. Er meldete sich in einem orangefarbenen Overall zum Dienst. Er freute sich darauf, weil Tim Buckley auftrat. Aber als er nach Hause kam, begeisterte er sich noch mehr für jemand anderen. »Ich hab jemanden gesehen, der ganz groß wird«, sagte er. Es war Janis Joplin.
Wir hatten nicht das Geld, um zu Konzerten zu gehen, aber ehe Robert im Fillmore aufhörte, besorgte er mir noch einen Pass für das Doors-Konzert. Janet und ich hatten ihr erstes Album verschlungen, und ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, ohne sie hinzugehen. Aber Jim Morrison zu sehen, hatte eine eigenartige Wirkung auf mich. Alle um mich herum schienen wie gebannt zu sein, doch ich registrierte noch die kleinste seiner Bewegungen mit einer kalten, hyperwachen Distanz. Diese Empfindung ist mir viel klarer in Erinnerung geblieben als das Konzert selbst. Als ich Jim Morrison beobachtete, spürte ich: Das kann ich auch. Ich kann nicht sagen, weshalb mir der Gedanke kam. Nichts in meiner bisherigen Erfahrung gab mir Grund zu der Annahme, dass so etwas möglich sein konnte, dennoch wurde ich den Gedanken nicht los.
Irgendwie erkannte ich mich in ihm wieder, hatte aber gleichzeitig keine besonders hohe Meinung von ihm. Ich spürte seine Unsicherheit genau wie seinen absoluten Glauben an sich. Ihn umgab eine Mischung von Schönheit und Selbstekel, ein mystischer Schmerz, ein heiliger Sebastian der West Coast. Wenn mich jemand fragte, wie die Doors waren, sagte ich einfach, sie waren großartig, weil ich mich irgendwie für meine Reaktion auf das Konzert schämte.
In Pöme Pennysstück schrieb James Joyce eine Zeile, die mich beharrlich verfolgte: die Zeichen, die narrend mit mir gehn. Sie kam mir einige Wochen nach dem Doors-Konzert in den Sinn, und icherwähnte sie Ed Hansen gegenüber. Ich mochte ihn immer. Er war klein, aber kräftig, und erinnerte mich mit seinem braunen Mantel, dem hellbraunen Haar, den schelmischen Augen und dem breiten Mund an den Maler Soutine. Ein Rudel wilder Kinder hatte ihm auf der DeKalb Avenue eine Kugel durch die Lunge geschossen, und trotzdem bewahrte er sich eine gewisse kindliche Art.
Er sagte nichts zu dem Joyce-Zitat, aber eines Nachts brachte er mir eine Platte der Byrds mit. »Dieser Song wird wichtig für dich sein«, sagte er, als er die Nadel bei So You Want to Be a Rock’n’Roll Star aufsetzte. Irgendetwas in dem Song erregte und verunsicherte mich, aber was er damit bezweckte, war mir schleierhaft.
In einer Winternacht im Jahr 1968 kam jemand zu uns an die Tür und sagte uns, Ed habe Probleme. Robert und ich gingen raus und suchten ihn. Ich schnappte mir mein schwarzes Plüschlamm, ein Geschenk von Robert. Ein Geschenk von einem schwarzen Schaf ans andere. Weil Ed ebenfalls ein schwarzes Schaf war, steckte ich es als tröstenden Talisman ein.
Ed hockte ganz hoch oben auf einem Kran; er weigerte sich herunterzukommen. Die Nacht war kalt und klar, und während Robert mit ihm
Weitere Kostenlose Bücher