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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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zurück. Als Bonus gaben sie mir einen Vorschuss für dringende Anschaffungen und die Zimmermiete für eine Woche, was Mr Bard enorm beeindrucken sollte. Er hatte sich unsere Arbeiten noch gar nicht angesehen, behielt die Mappen jedoch fürs Erste in Verwahrung, es konnte sich also immer noch eine Chance ergeben, sie in Zahlung zu geben.
    Ich brachte Robert etwas zu essen mit. Es war das Erste, was er seit meiner Rückkehr aß. Ich erzählte ihm von meinen Verhandlungen mit Scribner und Bard. Wir waren verblüfft, was in dieser kurzen Zeit alles vorgefallen war, und ließen unsere kleine Odyssee vom tiefsten Elend zur Erlösung noch einmal Revue passieren. Dann wurde Robert sehr schweigsam. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging. Er entschuldigte sich nicht, aber ich wusste, dass es ihm leidtat. Während er müde den Kopf auf meine Schulter legte, fragte er sich, ob es vielleicht besser für mich gewesen wäre, nicht zurückzukommen. Aber ich war zurückgekommen. Es war besser für uns zusammenzubleiben.
    Ich wusste, wie ich mich um ihn kümmern musste. Ich verstand etwas von Krankenpflege, wusste, wie man bei jemandem das Fieber »drückte«, denn das hatte ich mir bei meiner Mutter abgeschaut. Ich saß an seiner Seite, während er langsam wegdöste. Ich war müde. Meine Heimkehr war nicht gerade angenehm verlaufen, aber nun kam alles in Ordnung, und ich bedauerte nichts. Ich war aufgeregt. Ich saß da und hörte zu, wie er atmete, während der sanfte Schein des Nachtlichts auf sein Kopfkissen fiel. In dem schlafenden Hotel spürte ich, welche Kraft wir aus unserem Zusammenhalt schöpften. Vor zwei Jahren hatte er mich gerettet, alser wie aus dem Nichts am Tompkins Square Park auftauchte. Jetzt hatte ich ihn gerettet. So gesehen waren wir nun quitt.
    Ein paar Tage später ging ich zur Clinton Street, um die Schulden bei unserem früheren Hausverwalter Jimmy Washington zu begleichen. Ein letztes Mal stieg ich die schweren Steinstufen hoch. Ich wusste, ich würde nie wieder nach Brooklyn ziehen. Ich verharrte einen Moment vor der Tür, bevor ich klopfte. Von drinnen hörte man Devil in a Blue Dress und Jimmy Washington, der mit seiner Frau redete. Er öffnete behäbig die Tür und war überrascht, mich zu sehen. Er hatte Roberts Sachen zusammengepackt, aber es war offenkundig, dass er mit vielen meiner Dinge schon geliebäugelt hatte. Ich musste lachen, als ich in sein Wohnzimmer kam. Meine blauen Pokerchips in ihrem offenen Intarsienkästchen, das Schiff mit handgemachten Segeln und das kitschige Jesus-Figürchen waren ordentlich auf seinem Kaminsims arrangiert. Mein mexikanisches Schultertuch lag über dem großen hölzernen Schreibtischstuhl, den ich mühsam abgeschmirgelt und weiß gestrichen hatte. Ich nannte ihn meinen Jackson-Pollock-Stuhl, weil er einem Gartenstuhl ähnelte, den ich auf einem Foto von der Pollock-Krasner-Farm in Springs gesehen hatte.
    »Ich hab alles für Sie aufgehoben«, sagte er etwas verlegen. »Ich wusste ja nicht, ob Sie zurückkommen.« Ich grinste bloß. Er setzte Kaffee auf, und wir machten einen Deal. Ich schuldete ihm drei Monatsmieten: hundertachtzig Dollar. Er konnte die sechzig Dollar Kaution und meine Sachen behalten, damit waren wir quitt. Er hatte meine Platten und Bücher zusammengepackt. Ich sah Nashville Skyline als oberste auf dem Stapel Platten. Robert hatte sie mir geschenkt, bevor ich nach Paris geflogen war, und ich hatte Lay Lady Lay immer und immer wieder gehört. Ich suchte meine Notizbücher zusammen und fand darunter Ariel von Sylvia Plath, das Buch, das Robert mir gekauft hatte, als wir uns kennenlernten. Es gab mir einen flüchtigen Stich in der Brust, denn ich wusste, dass diese unschuldige Zeit nun unwiederbringlich vorbei war. Ich steckte einen Umschlag mit den Schwarz-Weiß-Fotos ein, die ichim MoMA von Woman I gemacht hatte, aber meine missglückten Versuche ihres Porträts ließ ich zurück, Leinwandbahnen, die mit Erdbraun, Rottönen und Grün vollgeschmiert waren, Souvenirs einer einstmaligen Ambition. Ich war zu neugierig auf die Zukunft, um zurückzuschauen.
    Als ich ging, bemerkte ich, dass eine meiner Zeichnungen an der Wand hing. Wenn Bard keinen Sinn dafür hatte, dann immerhin Jimmy Washington. Ich sagte meinem Krempel Adieu. Zu ihm und Brooklyn passte er besser. Es gibt immer genug neuen Krempel, so viel steht fest.

    Obwohl ich dankbar für den Job war, ging ich nur widerstrebend zurück zu Scribner. Als ich auf eigene Faust in Paris war,

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