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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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skeptisch, aber bereit, es zu riskieren. Ich weiß nicht, ob die Aussicht, sich unsere Kunst anzusehen, ihm besonders viel bedeutete, aber dass ich in Kürze einen festen Job haben würde, schien ihn zu beeindrucken. Wir gaben uns die Hand darauf, und ich nahm den Schlüssel entgegen. Zimmer 1017. Für fünfundfünfzig Dollar pro Woche wohnten wir im Chelsea.
    Peggy war mittlerweile aufgetaucht, und Harry und sie halfen mir, Robert nach oben zu schaffen. Ich schloss die Tür auf. Zimmer 1017 war berühmt als das allerkleinste im ganzen Hotel, ein blassblauer Raum mit einem Bett mit weißem Metallgestell und einem Überwurf in cremefarbenem Chenille. Es gab ein Waschbecken mit Spiegel, eine kleine Kommode und einen tragbaren Schwarz-Weiß-Fernseher, der genau mittig auf einem großen, verschlissenen Zierdeckchen stand. Robert und ich hatten noch nie einen Fernseher besessen, und nun stand einer dort, ein futuristischer, doch überflüssiger Glücksbringer, dessen Stecker während der gesamten Dauer unseres Aufenthalts nutzlos herunterhing.
    Im Hotel gab es einen Arzt, und Peggy gab mir seine Zimmernummer. Wir hatten ein sauberes Zimmer und jemanden, der uns half. Vor allem aber einen Platz, an dem Robert gesund werden konnte. Wir hatten ein Zuhause.
    Solange der Arzt da war, wartete ich draußen vor der Tür. Das Zimmer war zu klein für drei, außerdem wollte ich auch nicht zusehen, wie Robert eine Spritze bekam. Der Arzt gab Robert eine hohe Dosis Tetrazyklin, stellte einige Rezepte aus und riet mir nachdrücklich, mich untersuchen zu lassen. Robert war unterernährt, hatte hohes Fieber, Mundfäule, Weisheitszähne, die zuwenig Platz hatten, und Gonorrhö. Wir mussten beide noch weitere Spritzen bekommen und uns registrieren lassen, weil wir eine ansteckende Krankheit hatten. Der Arzt sagte, ich könnte ihn irgendwann später bezahlen.
    Mir gefiel der Gedanke nicht, dass ich mir wahrscheinlich wegen irgendeines Wildfremden eine Geschlechtskrankheiteingefangen hatte. Es hatte nichts mit Eifersucht zu tun, es war eher, dass ich mich unsauber fühlte. Was ich von Jean Genet bisher kannte, hatte immer etwas beinahe Heiliges für mich, für Tripper war darin kein Platz. Und dazu kam noch meine Nadelphobie; der Arzt meinte, wir müssten in regelmäßigen Abständen weitere Spritzen bekommen. Aber ich hatte keine Zeit für große Bedenken. Meine erste Sorge war, dass Robert gesund würde, und er war viel zu krank, um ihm eine Szene zu machen.
    Ich saß still neben ihm. Wie anders das Licht doch im Chelsea war, als es auf unsere paar Habseligkeiten fiel. Es war kein natürliches Licht, sondern kam von der kleinen Lampe und der Glühbirne an der Decke, grell und wenig schmeichelnd, und schien dennoch von einer einzigartigen Energie erfüllt zu sein. Robert war ins Bett gepackt, und ich sagte ihm, er müsse sich keine Sorgen machen, ich sei gleich zurück. Ich musste zu ihm halten. Wir hatten es uns geschworen.
    Unser Schwur bedeutete, wir waren nicht allein. Ich verließ das Hotel und betrachtete die Gedenktafel für Dylan Thomas. Gerade erst heute Morgen der deprimierenden Atmosphäre des Allerton entronnen, und schon hatten wir ein kleines, aber sauberes Zimmer in einem der geschichtsträchtigsten Hotels von New York. Ich sah mir unsere unmittelbare Nachbarschaft an. 1969 hatte die Twenty-third Street zwischen der Seventh und Eighth Avenue noch fast eine Nachkriegsatmosphäre. Ich kam an einem Laden für Anglerbedarf vorbei, einem Secondhandplattenladen mit französischen Jazzplatten, die man durch die verstaubte Schaufensterscheibe kaum erkennen konnte, einem ziemlich großen Automatenrestaurant und an der Oasis Bar mit einer Neonpalme als Leuchtreklame. Auf der anderen Straßenseite war eine Zweigstelle der Stadtbücherei, daneben machte sich ein YMCA breit.
    Ich ging Richtung Osten, bog in die Fifth Avenue ein und marschierte Richtung Norden zu Scribner in der Forty-eighth Street. Obwohl ich ziemlich lange weg gewesen war, war ich zuversichtlich, dass sie mich wieder nehmen würden. Ich kehrte mit etwasgemischten Gefühlen zurück, doch angesichts unserer Lage war Scribner ein Geschenk des Himmels. Meine Arbeitgeber hießen mich herzlich willkommen, und ich ging runter ins Basement, genoss ihren Kaffee und die Zimtschnecken und unterhielt sie mit Anekdoten über das Leben auf den Straßen von Paris, wobei ich vorzugsweise die komischen Seiten unserer Missgeschicke wiedergab. Am Schluss hatte ich meinen alten Job

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