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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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Zimmer. Das war der Hauptgrund dafür, dass wir so brav unsere Miete zahlten.
    Wenn man sich erst mal ein Zimmer im Chelsea gesichert hatte, flog man zwar nicht sofort raus, wenn man mit der Miete im Rückstand war, aber man wurde ein Teil der Fraktion, die sich von Mr Bard nicht erwischen lassen durfte. Wir wollten uns als gute Mieter beweisen, weil wir auf der Warteliste für ein größeres Zimmer im ersten Stock standen. Ich hatte als Kind oft genug gesehen, wie meine Mutter an sonnigen Tagen alle Rollläden herunterließ, um sich vor Geldeintreibern und Kredithaien zu verstecken, und hatte nicht die Absicht, mich vor Stanley Bard andauernd wegzuducken. Praktisch jeder hatte Schulden bei Bard. Wir schuldeten ihm nichts.
    In unserem Hotelzimmer lebte es sich wie in einer halbwegs einladenden Gefängniszelle. Das französische Bett war schön, um eng aneinandergeschmiegt zu schlafen, aber weder Robert noch ich hatten einen Platz zum Arbeiten.
    Der Erste, mit dem sich Robert im Chelsea anfreundete, war ein unabhängiger Modedesigner namens Bruce Rudow. Er war einer der Thirteen Most Beautiful Boys in Warhols gleichnamigem Film, und hatte einen Kurzauftritt in Asphalt-Cowboy gehabt. Er war klein und leichtfüßig und hatte eine fast schon unheimliche Ähnlichkeit mit Brian Jones. Er hatte ein breites Lächeln und Ringe unter den blassen Augen, beschattet von einem schwarzen, breitkrempigen Cordoba-Hut, wie Jimi Hendrix ihn trug. Sein seidiges rotblondes Haar fiel ihm über seine hohen Wangenknochen. Die Brian-Jones-Ähnlichkeit wäre für mich schon genug gewesen, er war aber außerdem auch noch ein freundlicher, großzügiger Mensch. Er flirtete ein bisschen, aber zwischen ihm und Robert spielte sich nichts ab. Es entsprach einfach seinem liebenswerten Naturell.
    Er kam uns besuchen, aber wir konnten ihm nicht mal einen Platz zum Sitzen anbieten, also lud er uns nach unten in sein Zimmer ein. Er hatte einen geräumigen Arbeitsbereich, der übersät war mit Pelzen, Schlangenhaut, Lammfellen und roten Lederstücken. Schnittmuster lagen auf langen Arbeitstischen ausgebreitet, und die Wände waren voller Regale mit fertigen Teilen. Er hatte seine eigene kleine Fabrik. Bruce designte schwarze Lederjacken mit silbernen Fransen, wunderschön gearbeitet; er war damit sogar in der Vogue vertreten.
    Bruce nahm Robert unter seine Fittiche und gab ihm die Bestätigung, die er so dringend brauchte. Sie waren beide ungeheuer erfinderisch und inspirierten einander. Robert faszinierte die Idee, Kunst und Mode zusammenzubringen, und Bruce gab ihm Tipps, wie er den Sprung in die Modeszene schaffen könnte. Er bot ihm einen Platz in seinem Arbeitsraum an. Robert war zwar dankbardafür, aber nicht glücklich damit, in der Umgebung eines anderen zu arbeiten.
    Die wohl einflussreichste Persönlichkeit, die wir im Chelsea kennenlernten, war Sandy Daley, eine warmherzige, etwas menschenscheue Künstlerin, die nebenan in Zimmer 1019 wohnte. Ihr Zimmer war völlig weiß gehalten, selbst die Fußböden waren weiß. Wir mussten immer unsere Schuhe ausziehen, bevor wir eintraten. Silberne, heliumgefüllte Kissen aus der ursprünglichen Factory schwebten über uns und um uns her. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Wir saßen barfuß auf dem weißen Fußboden, tranken Kaffee und schauten uns ihre Fotobücher an. Manchmal wirkte Sandy wie eine dunkle Gefangene in ihrem weißen Zimmer. Sie trug meist ein langes schwarzes Kleid, und ich ging gerne hinter ihr her, um zu sehen, wie der Saum des Kleides durch die Flure und durchs Treppenhaus strich.
    Sandy hatte lange in England gearbeitet, im London von Mary Quant, Plastikregenmänteln und Syd Barrett. Sie hatte lange Fingernägel, und ich bewunderte ihre Technik, den Tonarm des Plattenspielers anzuheben, ohne ihre Maniküre zu ruinieren. Sie machte sehr dezente, elegante Fotos und hatte immer eine Polaroidkamera zur Hand. Es war Sandy, die Robert zum ersten Mal eine Polaroidkamera lieh, und sie war eine wertvolle Kritikerin und Vertraute, mit der er seine frühen Fotografien diskutierte. Sandy bestärkte uns beide, und die Wandlungen, die Robert als Mann und als Künstler durchlief, nahm sie gelassen und vorurteilslos hin.
    Das Ambiente bei ihr gefiel Robert besser als mir, aber es war eine willkommene Abwechslung vom Chaos in unserem winzigen Zimmer. Wenn ich duschen oder einfach nur in einer Umgebung mit viel Licht und Platz tagträumen wollte, stand mir ihre Tür offen. Oft saß ich auf dem

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