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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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auch kein Vorbild. Wobei das alles im Grunde keine Rolle mehr spielte. Solange andere Menschen fanden, dass ich all das war   – etwas anderes zählte ohnehin nicht mehr.
    Oktober ging in November über, Dezember kam, ohne dass ich es überhaupt richtig merkte. Die Tage wurden kürzer und kälter, plötzlich dudelte Weihnachtsmusik im Radio und aus Kaufhauslautsprechern. Ich ging zur Schule, ich lernte, ich ging wieder heim. Selbst wenn meine Mitschüler versuchten, ein Gespräch mit mir anzufangen, gab ich kaum eine Antwort. Ich hatte mich so sehr an die Isolation gewöhnt, dass es mir so fast lieber war. An den Wochenendenerkundigten sich meine Eltern zunächst noch neugierig, warum ich nie ausging oder sonstige Pläne hatte. Aber nachdem ich ihnen ein paar Mal erklärt hatte, ich sei nach dem Modeln und der Schule und den Hausaufgaben einfach zu kaputt, hörten sie auf zu fragen.
    Und doch kriegte ich durchaus mit, was um mich herum geschah. Ich hörte gerüchteweise, Wills Prozess sei angesetzt worden, und dass einige der Mädchen von der
Perkins Day
wohl als Zeuginnen aussagen würden, weil sie ähnliche Geschichten mit ihm erlebt hatten wie Emily. Sie schien ganz gut drauf zu sein. Jedenfalls verkroch sie sich nicht. Ich traf sie eigentlich dauernd, auf den Fluren, auf dem Schulhof oder wenn sie auf dem Parkplatz abhing, und sie war nie allein, sondern stets von diversen Freundinnen umgeben. Etwa eine Woche zuvor hatte ich beobachtet, wie sie auf dem Flur zwischen den Klassenräumen vor ihrem Spind stand und sich köstlich über etwas amüsierte. Ihre Wangen waren gerötet, beim Lachen hielt sie sich die Hand vor den Mund. Nur ein Augenblick, eine Momentaufnahme, nichts Bedeutendes, aber aus irgendeinem Grund hing mir dieses Bild von ihr den ganzen restlichen Tag über und sogar noch am nächsten nach.
    Bei Sophie lief es allem Anschein nach weniger gut. Wenn ich sie überhaupt einmal zu Gesicht bekam, war sie normalerweise allein, und während der Mittagspause verließ sie nun fast jeden Tag das Schulgelände, wurde an einem bestimmten Treffpunkt von jemandem mit einem schwarzen Auto abgeholt. Will war es allerdings nicht. Ob sie wohl immer noch zusammen waren? Da ich nichts Gegenteiliges gehört hatte, nahm ich es an.
    Seit Schuljahrsbeginn schien eine Ewigkeit vergangen zusein. Und damit war es auch eine Ewigkeit her, dass ich Angst vor Sophie gehabt hatte. Wenn ich sie jetzt sah, war ich eigentlich bloß noch müde und traurig, über uns beide. Nur wenn Owen mir ab und an zufällig über den Weg lief, verspürte ich einen Stich und so etwas wie Einsamkeit. Obwohl wir nicht mehr miteinander redeten, hörte ich noch zu   – auf meine Art.
    Allerdings nicht mehr bei seiner Radiosendung, obwohl ich nach wie vor jeden Sonntagmorgen Schlag sieben wach wurde. Als hätte ich eine innere Uhr. Eine äußerst bescheuerte Angewohnheit, die ich jedoch aus irgendeinem Grund nicht ablegen konnte. Noch schwerer war es, die Musik selbst loszuwerden. Nicht nur seine Musik   – Musik überhaupt.
    Ich bin mir nicht sicher, wann genau es anfing, aber irgendwann merkte ich, dass mir sofort auffiel, wenn es still war. Wohin ich auch ging: Ich brauchte immer Geräusche um mich herum. Im Wagen drehte ich sofort die Anlage an; in meinem Zimmer drückte ich gleich nach dem Lichtschalter auf die Starttaste meines C D-Spielers . Sogar in der Schule oder wenn ich mit meinen Eltern am Tisch saß, holte ich mir ein Lied in den Kopf, das sich in Endlosschleife wiederholte. Brauchte das. Ich erinnerte mich daran, wie Owen mir erzählt hatte, dass Musik ihn in Phoenix, mit seinen Eltern, gerettet hatte, indem sie alles andere übertönte. Mir erging es jetzt ähnlich. Solange ich etwas zum Zuhören hatte, gelang es mir, Dinge, an die ich nicht denken wollte, auszublenden, ja, sogar komplett zu verdrängen.
    Dafür war allerdings ganz schön viel Musik nötig; entsprechend hatte ich schon nach wenigen Wochen meine sämtlichen CDs mehrfach hintereinander durchgehört.Nur aus dem Grund war ich auch an irgendeinem Samstagabend schwach geworden und kramte den Stapel CDs hervor, die Owen mir gebrannt hatte.
Wahrlich schlechte Zeiten
, dachte ich, öffnete die Hülle mit PROTESTSONGS und schob sie ein.
    Sie gefielen mir immer noch nicht. Einige der Lieder waren einfach zu schräg, andere verstand ich schlicht nicht. Aber eine Sache verblüffte mich doch: Ich war fest davon ausgegangen, es würde sich komisch anfühlen, Owens Musik zu hören.

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