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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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wechseln. Kam eine von uns nach Hause und heulte Rotz und Wasser, wollte aber nicht darüber reden? Er verdrückte sich und machte zum Trost überbackenen Käse. (Den er am Ende meistens selbst aß.) Eine handfeste Familienkrise, die in der Öffentlichkeit hochkochte? Gepäck. Lasst uns erst einmal das Gepäck einsammeln.
    Der Blick meiner Mutter ruhte indes unverwandt auf Whitney. Sie schien besorgt. Und während mein Vater einen weiteren Koffer vom Band hievte, fragte sie mit sanfter Stimme: »Ist das wahr? Stimmt irgendetwas nicht?«
    »Mir geht es gut!«, wiederholte Whitney. »Kirsten ist bloß eifersüchtig, weil ich so viel arbeite.«
    »Ach du liebe Zeit! Da gebe ich einen Scheißdreck drauf und das weißt du auch.«
    Meine Mutter sah Kirsten perplex an. Wieder einmalfiel mir auf, wie schmal   – verglichen mit uns anderen   – sie wirkte, wie zerbrechlich.
    »Pass bitte auf, was du sagst«, sagte mein Vater strafend zu Kirsten.
    »Papa, du kapierst offensichtlich nicht, was da abgeht. Es ist echt etwas Ernstes. Whitney hat eine Essstörung. Und wenn sie nicht bald Hilfe bekommt, dann   –«
    »Halt die Klappe!« Whitneys Stimme überschlug sich. »Halt endlich deine verdammte Klappe!«
    Dieser Ausbruch kam dermaßen überraschend (denn wenn, war in der Regel Kirsten diejenige, die so ausflippte), dass wir einen Moment lang bloß stumm beieinanderstanden und uns darüber klar zu werden versuchten, ob das, was hier gerade abging, tatsächlich geschah. Doch dann registrierte ich die Blicke der Passanten, die zu uns herüberäugten. Und wusste: Es
war
real. Aus dem Gesicht meiner Mutter wich mit einem Schlag alle Farbe. Ihr war die Situation unendlich peinlich.
    »Andrew.« Sie rückte dicht an meinen Vater heran. »Ich lasse nicht zu   –«
    »Gehen wir zum Auto«, unterbrach er sie und schnappte sich Whitneys Koffer. »Sofort.«
    Wir gingen. Schweigend. Meine Mutter und mein Vater liefen voraus. Seinen Arm schlang er fest um ihre Schulter. Whitney folgte ihnen, vornübergeneigt, als liefe sie gegen einen Sturm an. Kirsten und ich bildeten die Nachhut. Beim Gehen ließ sie ihre Hand in meine gleiten, umfasste sie. Ihre Handfläche fühlte sich warm an in der Kälte.
    »Sie mussten es erfahren«, meinte Kirsten. Doch als ich ihr den Kopf zuwandte, blickte sie zur anderen Seite, wodurch für mich der Eindruck entstand, dass sie vielleichtgar nicht wirklich mit mir redete. »Es ist das einzig Richtige. Ich musste es aussprechen.«
    Wir stiegen ein. Schweigend. Fuhren schweigend vom Parkplatz. Auf die Schnellstraße. Noch immer sagte niemand ein Wort. Ich saß eingequetscht zwischen meinen Schwestern auf der Rückbank und hatte das Gefühl, als ob Kirsten dann und wann tief Luft holte, als wollte sie etwas sagen. Tat sie aber nicht. Auf der anderen Seite drückte Whitney sich ans Fenster, blickte unverwandt hinaus. Ihre Hände lagen auf ihrem Schoß. Ich musste ständig auf ihre Handgelenke starren, die so dünn aussahen, so knochig und fahl auf dem Schwarz ihrer Jogginghose. Meine Eltern vorne schauten stur geradeaus. Ab und an sah ich, wie sich die Schulter meines Vaters bewegte, und wusste: Er streichelte tröstend die Hand meiner Mutter.
    Sobald wir in die Garage gefahren waren, stieß Whitney die Tür auf ihrer Seite auf. In Sekundenschnelle hatte sie die paar Schritte zur Küchentür zurückgelegt, verschwand im Haus, knallte die Tür hinter sich zu. Kirsten neben mir stieß einen schweren Seufzer aus.
    Nachdem mein Vater den Motor abgestellt hatte, meinte Kirsten ruhig: »Okay, ich schätze, wir müssen dringend miteinander reden.«
    Und sie redeten. Ich durfte nicht dabei sein, nach dem Motto: Annabel, hast du nicht noch ein paar Hausaufgaben zu machen? Also ging ich auf mein Zimmer. Anstatt zu arbeiten, saß ich allerdings bloß da, das aufgeschlagene Mathebuch auf dem Schoß, und versuchte krampfhaft mitzukriegen, was im unteren Stockwerk vor sich ging. Ich hörte die dunkle Stimme meines Vaters, die hellere meiner Mutter, und erkannte Kirsten an ihrem gelegentlich ziemlich entrüsteten Ton. Auf der anderen Seite meiner Wandlag Whitneys Zimmer. Von dort drang nur Stille zu mir. Nichts als Stille.
    Schließlich kam meine Mutter die Treppe herauf, ging an meinem Zimmer vorbei, klopfte an Whitneys Tür. Keine Antwort. »Whitney, Schatz, lass mich bitte rein.« Wieder nichts. Doch sie blieb stehen. Wartete. Bestimmt eine oder zwei Minuten. Bis ich plötzlich das Geräusch des Schlüssels im Schloss

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