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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Kirstens Miete beisteuerten, konnte jene sich schlecht beklagen. (Sie tat es natürlich trotzdem.) Außerdem, fand meine Mutter, seien meineSchwestern schließlich älter und damit hoffentlich reifer, sodass ihre diversen Streitigkeiten der Vergangenheit angehören sollten.
    Nachdem Whitney bei Kirsten eingezogen war, blieb meine Mutter noch eine Zeit lang in New York, um Whitney beim Eingewöhnen zu helfen. Sie immatrikulierte sie am College, begleitete sie zu den ersten Terminen bei diversen Agenturen. Jeden Abend nach dem Essen rief sie an, um meinem Vater und mir in allen Einzelheiten zu erzählen, wie der Tag gelaufen war. Während sie uns brühwarm berichtete, wie viele Promis sie wieder zufällig gesehen, wie viele Agenten sie getroffen hatten, während sie uns die Hektik und den Pulsschlag New Yorks beschrieb, klang sie so glücklich, wie ich sie im Prinzip nie zuvor erlebt hatte. Bereits nach einer Woche hatte Whitney ihr erstes Casting, den ersten Job kurz darauf. Meine Mutter kehrte einen Monat später nach Hause zurück; zu dem Zeitpunkt hatte Whitney bereits mehr Jobs gelandet, als Kirsten je gehabt hatte. Alles lief nach Plan   … bis zu dem Moment, da
nichts
mehr lief.
    Meine Schwestern wohnten mittlerweile vier Monate zusammen; Kirsten erwähnte bei ihren Telefonaten mit meiner Mutter immer häufiger, Whitney benehme sich irgendwie seltsam. Sie habe abgenommen, würde mehr oder weniger gar nichts mehr essen, und wenn Kirsten sie darauf anspreche, reagiere sie ziemlich patzig. Trotzdem schien es zunächst keinen Anlass zu echter Sorge zu geben. Whitney war schon immer launisch gewesen; nicht einmal meine Eltern waren im Ernst davon ausgegangen, dass das Zusammenleben der beiden völlig reibungslos laufen würde. Aber wahrscheinlich   – spekulierte meine Mutter   – dramatisierte Kirsten die Sache einfach ein wenig. Undfalls Whitney abgenommen hatte, lag es sicher daran, dass sie in einem hart umkämpften Markt arbeitete, in dem sie, was ihr Äußeres betraf, erheblichem Druck ausgesetzt war. Sobald sie erst einmal mehr Zutrauen zu sich gefasst hätte, würde sich das von allein wieder regeln.
    Aber als wir Whitney das nächste Mal wiedersahen, war die Veränderung überdeutlich. Vorher hatte sie grazil gewirkt, elegant. Nun war sie regelrecht mager. Ihr Kopf schien zu groß für ihren Körper, buchstäblich eine Last für ihren Hals. Sie und Kirsten kamen über Thanksgiving nach Hause; als wir die beiden vom Flughafen abholten, hätte der Gegensatz nicht größer sein können. Auf der einen Seite Kirsten mit ihrer frischen Gesichtsfarbe, strahlenden, blauen Augen und einem fuchsiafarbenen Sweatshirt   – welches ihr ausgezeichnet stand   –, deren Haut ich warm auf meiner spürte, als sie wild ihre Arme um mich schlang und laut juchzte, wie sehr sie uns alle vermisst habe. Daneben Whitney, in Jogginghose und langärmeligem schwarzen Rolli. Ungeschminkt. Die Haut schien richtig durch. Es war ein Schock, sie so zu sehen, aber zunächst machte niemand auch nur die leiseste Andeutung in die Richtung. Stattdessen tauschten wir Hallos, Umarmungen, die üblichen Na-wie-war-die-Reise-Floskeln aus. Doch als wir zur Gepäckausgabe gingen, konnte meine Mutter nicht länger an sich halten.
    »Whitney, Liebling, du siehst so erschöpft aus. Hast du immer noch mit dieser Erkältung zu tun?«
    »Mir geht es gut«, erwiderte Whitney.
    »Es geht ihr überhaupt nicht gut!«, sagte Kirsten unverblümt. Als wäre Whitney gar nicht dabei. Kirsten zog ihren Koffer vom Transportband. »Sie isst nichts mehr. Gar nichts. Auf die Weise wird sie sich noch umbringen.«
    Meine Eltern wechselten einen Blick. »Ach was, sie war nur krank!« Meine Mutter fixierte Whitney, die Kirsten verärgert anfunkelte. »Nicht wahr, Schatz?«
    »Falsch«, konterte Kirsten unbarmherzig, bevor sie sich an Whitney wandte: »Vergiss nicht, was wir im Flugzeug ausgemacht haben. Entweder du sagst es ihnen oder ich!«
    »Klappe!«, presste Whitney zwischen geschlossenen Zähnen hervor.
    »Ganz ruhig«, mahnte mein Vater. »Lasst uns erst einmal das Gepäck einsammeln.«
    Typisch. Mein Vater, das einsame männliche Wesen in unserem östrogengeschwängerten Haushalt, versuchte sämtliche emotionalen Wirren oder Meinungsverschiedenheiten stets so zu lösen: Indem er etwas Konkretes, Handfestes tat. Lautstarke oder völlig verfahrene Streitereien am Frühstückstisch? Mein Vater war plötzlich verschwunden, um das Öl an einem unserer Wagen zu

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