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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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hörte, schlug mein Herz schlagartig wie verrückt. »Geht es ihr gut? Was ist passiert?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte mein Vater. »Sie wurde auch schon wieder entlassen. Es gibt wohl nur ein Problem mit der Abrechnung. Ich muss die neue Versicherungskarte finden   …«
    Während mein Vater hinaufging, um in seinem Arbeitszimmer danach zu suchen, nahm meine Mutter den Hörer wieder auf und versuchte, der Frau am anderen Ende der Leitung weitere Informationen zu entlocken. Die führte jedoch Datenschutzgründe an und erzählte nur so viel:Whitney war am Morgen per Notarztwagen eingeliefert worden und hatte das Krankenhaus ein paar Stunden später wieder verlassen. Gleich nachdem mein Vater die Sache mit der Abrechnung geklärt hatte, rief er bei Kirsten und Whitney an. Kirsten meldete sich.
    »Ich habe versucht, es euch begreiflich zu machen!« Sogar von meinem Platz am Tisch aus hörte ich ihre Stimme durchs Telefon. »Ich hab’s versucht!«
    »Hol bitte deine Schwester ans Telefon. Sofort!«
    Whitney ging dran. Sie sprach schnell. Auch ihre Stimme konnte ich hören; sie klang hell, munter. Meine Eltern drängten sich ums Telefon, die Ohren gemeinsam am Hörer, und lauschten ihr angestrengt. Später erfuhr ich, welche Geschichte sie ihnen dieses Mal aufgetischt hatte: Dass es keine große Sache gewesen sei; sie sei nur etwas dehydriert gewesen   – Resultat einer chronischen Nebenhöhlenentzündung   – und bei einem Shooting bewusstlos geworden. Es klinge jedenfalls schlimmer, als es sei. Der Krankenwagen sei bloß deshalb gekommen, weil irgendwer überflüssigerweise Panik bekommen habe. Und sie habe nur deshalb nicht von sich aus angerufen, um unsere Mutter nicht unnötig zu beunruhigen. Es sei nichts. Gar nichts.
    »Vielleicht sollte ich dich besuchen kommen«, bemerkte meine Mutter. »Einfach so, zu deiner und meiner Beruhigung.«
    Nein, meinte Whitney, dazu gebe es überhaupt keinen Grund. In zwei Wochen würde sie über Weihnachten wieder zu Hause sein. Was genau das war, was sie brauchte: eine Pause. Viel Schlaf. Anschließend wäre sie bestimmt wieder völlig okay.
    Meine Mutter fragte dennoch nach: »Sicher?«
    Ja. Absolut sicher.
    Bevor sie auflegten, wollte mein Vater noch einmal mit Kirsten sprechen: »Ist mit deiner Schwester alles in Ordnung?«
    »Nein. Überhaupt nicht.«
    Trotzdem fuhr meine Mutter nicht zu ihr nach New York. Was für mich nach wie vor ein großes Rätsel ist, eine Sache, die ich auch rückblickend immer noch nicht kapiere. Doch sie hatte offenbar weiter die feste Absicht, Whitney zu glauben   – aus welchem Grund auch immer. Es war ein Fehler.
    Als Whitney über Weihnachten nach Hause kam, traf sie zunächst solo ein. Kirsten musste wegen eines Jobs noch ein paar Tage länger in New York bleiben. Mein Vater fuhr zum Flughafen, um Whitney abzuholen. Meine Mutter und ich standen in der Küche und machten Abendessen, als die beiden zurückkehrten. Ich warf einen Blick auf meine Schwester und traute meinen Augen nicht.
    Sie war skelettartig dürr. Vollkommen abgemagert. Obwohl sie noch sackartigere Klamotten   – und die außerdem in Schichten übereinander   – trug als beim letzten Mal, da ich sie gesehen hatte, war es weder zu übersehen noch zu leugnen. Ihre Augen lagen tief in ihren Höhlen. Man konnte jede einzelne Sehne an ihrem Hals erkennen. Immer, wenn sie den Kopf drehte, sahen die Sehnen aus wie die Schnüre, an denen Marionetten hängen. Ich starrte sie geschockt an.
    »Annabel.« Mein Blick irritierte, ja, nervte sie. »Was ist   – gibt es heute keine Umarmung?«
    Ich legte den Sparschäler beiseite, den ich in der Hand hielt, und trat zögernd auf sie zu. Als ich meine Arme um sie schlang, hatte ich das Gefühl, ich könnte sie auseinanderbrechen. Sie fühlte sich an wie ein dürrer Zweig. MeinVater stand mit Whitneys Koffer hinter ihr. Und als ich in sein Gesicht blickte, wusste ich, dass auch er schockiert war von der Veränderung, die Whitney allein in diesem einen Monat durchgemacht hatte.
    Meine Mutter dagegen zeigte keinerlei Regung. Zumindest nach außen hin nicht. Stattdessen zog sie Whitney, nachdem ich sie losgelassen hatte, an sich: »Mein armer Schatz, du hast wirklich eine schwere Zeit hinter dir!«
    Während sie sich an ihre Schulter lehnte, schloss Whitney langsam die Augen. Ihre Lider sahen aus wie durchsichtig. Mir wurde richtig kalt bei dem Anblick, ich bekam eine Gänsehaut am Rücken.
    »Wir werden dich schon wieder aufpäppeln«,

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