Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
Vom Netzwerk:
Vater, wie er nach seiner Brille fummelte, als er im Schlafanzug den Flur entlanggerannt kam. Dicht hinter ihm meine Mutter; in dem starken Lichtschein von draußen stand sie wie angestrahlt da, die Hände vor dem Gesicht. Stieß mich dann jedoch zur Seite, kniete sich neben Whitney, presste das Ohr an ihren Brustkorb. Der Krankenwagen, die kreisenden Lichter, die unser Haus wie ein Kaleidoskop erscheinen ließen. Schließlich dieStille, nachdem er abgefahren war. Mit Whitney und meiner Mutter, die neben ihr saß, ihre Hand hielt. Mein Vater folgte in seinem Wagen. Mir sagten sie, ich solle daheimbleiben und auf ihren Anruf warten.
    Ich wusste nicht, was ich bis dahin tun sollte. Deshalb ging ich zurück ins Bad und machte sauber. Betätigte als Erstes die Toilettenspülung. Sah nicht hin, während ich es tat. Wischte das Wasser auf, das über den Boden gelaufen war, nahm die gebrauchten Handtücher, brachte sie runter zur Waschmaschine, steckte sie hinein. Ging ins Wohnzimmer, setzte mich mitten ins Mondlicht. Wartete.
    Zwei Stunden später rief mein Vater endlich an. Das Klingeln des Telefons riss mich aus dem Schlaf. Als ich den Hörer abnahm, ging vor dem Haus gerade die Sonne auf, tauchte den Himmel in Rosa und Rot. »Deiner Schwester wird es sicher bald besser gehen«, sagte er. »Wenn wir nach Hause kommen, erzähle ich dir ausführlich, was passiert ist.«
    Nachdem wir aufgelegt hatten, ging ich zurück auf mein Zimmer, kroch ins Bett und schlief weitere zwei Stunden, ehe ich das Garagentor hörte. Meine Eltern waren wieder zu Hause. Als ich nach unten in die Küche kam, kochte meine Mutter gerade Kaffee. Sie drehte mir den Rücken zu, trug dieselben Sachen wie am Vorabend, ihre Haare waren ungekämmt.
    »Mama?«
    Sie wandte sich zu mir um. Als ich in ihr Gesicht blickte, sackte mir der Magen in die Kniekehlen. Ein Déjà-vu aus vergangenen Jahren: Sie sah schrecklich müde aus, ihre Augen waren vom Weinen geschwollen, ihre Züge wirkten wie zerschlagen. Der Anblick erschütterte mich so tief, dass ich meine Arme um sie schlingen und sie beschützenwollte, abschirmen vor der Welt und dem, was sie ihr antun konnte. Mir antun konnte. Jedem von uns.
    Und dann geschah es. Meine Mutter fing an zu weinen. Tränen flossen aus ihren Augen; sie blickte an sich hinunter, auf ihre zitternden Hände. Schluchzte laut auf. Die kleine Küche war erfüllt von diesem Klang. Ich ging auf sie zu, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Glücklicherweise wurde mir die Entscheidung abgenommen.
    »Grace.« Mein Vater stand im Durchgang zum Flur, der zu seinem Arbeitszimmer führte. »Liebling. Alles wird gut.«
    Die Schultern meiner Mutter zitterten, während sie tief durchatmete. »Mein Gott, Andrew, was haben wir   –«
    Mein Vater schnitt ihr das Wort ab, indem er sie in die Arme nahm. Seine große Gestalt umschloss sie vollständig. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust, erstickte ihr Schluchzen in seinem Hemd. Ich wich zurück, über die Türschwelle, und setzte mich außer Sichtweite im Esszimmer auf einen Stuhl. Dennoch konnte ich sie nach wie vor weinen hören. Es war der Horror. Aber es mit anzusehen? Der Oberhorror.
    Schließlich gelang es meinem Vater, sie zu beruhigen. Er schickte sie nach oben wie ein kleines Kind: Sie solle sich unter die Dusche stellen, sich etwas ausruhen. Anschließend kam er zu mir, setzte sich mir gegenüber.
    »Deine Schwester ist sehr krank«, sagte er. »Sie hat extrem abgenommen und anscheinend monatelang nicht mehr normal gegessen. Letzte Nacht ist sie endgültig zusammengebrochen.«
    »Wird sie wieder gesund?«, fragte ich.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und es dauerte einen Moment, ehe er mir antwortete. »Die Ärzte meinen,sie solle umgehend in eine Klinik zur Therapie. Deine Mutter und ich   …« Er verlor den Faden, blickte durch mich hindurch zum Pool hinaus. »Wir wollten immer nur das Beste für Whitney. Auch jetzt.«
    »Heißt das, sie kommt vorerst nicht wieder heim?«
    »Nicht sofort. Es ist ein langwieriger Prozess. Wir müssen sehen, wie sich alles entwickelt.«
    Ich schaute auf meine Hände, die ich flach vor mir auf die kühle, hölzerne Tischplatte gepresst hielt. »Als ich Whitney letzte Nacht sah, dachte ich im ersten Moment   …«
    »Ich weiß.« Mein Vater schob den Stuhl zurück, stand auf. »Aber ab jetzt bekommt sie Hilfe. Okay?«
    Ich nickte. Es war klar, dass mein Vater keine Lust hatte, weiter darüber zu sprechen, was geschehen war oder noch

Weitere Kostenlose Bücher