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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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es für richtig halte.«
    »Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«
    Stein lachte leise, aber die schüttelnde Bewegung verursachte ihm Schmerzen. »Es ist vorbei«, sagte er. »Die Polizei will damit nichts mehr zu tun haben. Die Zeit der Wahrheitskommission ist vorbei. Dieses Land will nach vorne schauen, nicht zurück. Wir sind die Rainbow Nation . Wer will schon ein Märchen zerstören?«
    »Aber wenn Sie doch Beweise haben?«, hakte Milan nach.
    »Natürlich habe ich Beweise. Ich schlage nur zu, wenn ich zu hundert Prozent sicher bin«, bestätigte Stein. »Aber das reicht der Polizei nicht. Doch ich sehe es anders. Ich brauche keine DNA-Proben, ich brauche keine verdammten Fingerabdrücke. Es geht um das System, verstehst du, um die wahren Entscheidungsträger, nicht um die Typen, die gemordet haben. Mit dem Blut an meinen Händen kann ich gut leben.«
    »Sie hätten vor Gericht gehen können. Es gibt Anwälte, Menschenrechtsorganisationen, Stiftungen.«
    »Ich weiß. Du hältst mich für überheblich«, antwortete Stein resigniert. »Du hast recht. Aber ich habe nicht viel Zeit. Mein ganzes Leben habe ich mir Fragen gestellt. Jetzt stelle ich keine Fragen mehr. Jetzt handele ich.«
    Stein atmete schwer. Das Gespräch strengte ihn sichtlich an.
    »Wie meinen Sie das? Sie haben nicht viel Zeit?«, fragte Milan nach.
    Stein zuckte mit den Schultern. »Ich bin sechzig. Irgendwann stirbt jeder.«
    Milan runzelte überrascht die Stirn. Vor dem heutigen Tag hatte Stein nie gewirkt, als ob er sich dem Tod nahe fühlen würde.
    »Wer war der Mann im Hotel?«, fragte Milan nach einer kurzen Pause.
    »In Ordnung«, erwiderte Stein mit gesenktem Kopf. »Du sollst es wissen. Sagt dir der Name Afrikaner Broederbond etwas?«
    Milan zuckte mit den Achseln. »Nein.«
    »Der Afrikaner Broederbond war eine Geheimorganisation während der Apartheid und auch schon davor. ›Die Bruderschaft‹ nannten sie sich. Weiße Nationalisten. Die südafrikanische Elite. Sie waren die Architekten der Apartheid und Drahtzieher der Regierung. Sie beherrschten auch die Wirtschaft. Der Broederbond hatte so viel Macht, das kann sich keiner von uns vorstellen. Wie eine Art Mafia. Nur operierte er nicht in der kriminellen Unterwelt, sondern hinter den Kulissen der Regierung, der Medien und der Wirtschaft. Mit anderen Worten: völlig legitim. Es gibt nichts Mächtigeres als eine Organisation, die niemand sieht, die niemand für möglich hält. Der Broederbond kontrollierte alles. Er herrschte über das ganze Land.«
    »Und der Mann im Hotel war Mitglied?«, schlussfolgerte Milan.
    Stein nickte. »Nicht nur Mitglied, sondern ein ganz hohes Tier. Als Anfang der 90er der Broederbond das Ende der Apartheid kommen sah, setzte sich die Organisation für den Transformationsprozess ein. Aber Kruger nicht. Nein. Er kämpfte sogar bis zum Schluss dagegen.«
    Kruger. Richtig, so hieß der weißhaarige Mann im Hotel.
    »Gehörten alle Ihre Opfer zum Broederbond? «, fragte Milan.
    »Fast alle«, bestätigte Stein. »Vor dem Ende der Apartheid schätzte man die Zahl ihrer Mitglieder auf mehrere Tausend. Auch jeder Staatspräsident während der Apartheid war Mitglied.«
    »Und Catherine de Koning? Sie auch?«
    »Nein. Aber ihr Mann.«
    »Als ich in Constantia war, habe ich mit ihrem Nachbarn gesprochen«, erzählte Milan. »Er hat gesagt, die Frau war unschuldig. In den Nachrichten hieß es sogar, sie sei Aktivistin gewesen. Was hat sie getan, um den Tod zu verdienen?«
    Stein lachte verächtlich und schüttelte den Kopf. »Das ist wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg«, sagte er. »Plötzlich gab es keine Nazis mehr. Nein, natürlich nicht. Niemand war ein Nazi. Aber wo sind sie alle hingegangen, diese Menschen? Sie sind nicht alle nach Südamerika ausgewandert. Nein. Und sie können sich auch nicht von heute auf morgen in Luft auflösen. Das Ende der Apartheid ist nicht lange her und ich kann dir sagen, wo diese Menschen heute sind. Sie sind hier, in diesem Land. Ihnen geht es gut. Sie haben Führungspositionen in den Medien oder beim Militär. Der Broederbond macht weiter seine Geschäfte, nutzt seine Kontakte, verkauft das Gold, Silber und Platin, das wir hier aus der Erde holen. Seine Mitglieder genießen ihre Pensionen. Ja, manche sind auch abgehauen, um ihre eigene Haut zu retten. Aber viele sind geblieben. Das ist ihre Heimat. Die verlässt niemand gern. Besonders wenn man für sie gekämpft hat. Diese Leute sind unantastbar und sie wissen

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