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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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brachte die Worte kaum über die Lippen. »Er wurde angeschossen, Frau Crowe, es geht ihm nicht gut.«
    Ein kurzer, heftiger Atemzug verriet Dorothys Überraschung. »Aber er lebt?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Ja. Jetzt hat er hohes Fieber und ich mache mir Sorgen. Können Sie kommen? Ich weiß sonst nicht, an wen ich mich wenden soll.«
    Dorothy versicherte ihm, dass sie sich sofort auf den Weg machen würde, und legte auf. Knapp eine Stunde später klingelte es an der Haustür.
    »Wo ist er?«, fragte sie und Milan brachte sie zum Sofa.
    Dorothy stellte ihre Tasche auf den Couchtisch und legte ihre Hand auf Steins feuchtkalte Stirn. Milan hörte, wie sie seinen Namen flüsterte. Dann machte sie ihre Tasche auf und holte einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten hervor. Dem entnahm sie eine Spritze. Sie tauchte die Nadel in ein kleines Gefäß und zog den Kolben zurück. Der Zylinder füllte sich zügig mit einer transparenten Flüssigkeit, die Dorothy kurz darauf in Steins Körper spritzte. Stein hörte sofort auf zu murmeln. Seine krampfhaften Bewegungen ließen nach. Sein Körper entspannte sich.
    Jetzt kümmerte sich Dorothy um die Schusswunde. Sie entfernte den Verband und betrachtete kritisch die Wunde. Die Haut war zum Teil aufgegangen und entzündet.
    »Geh in sein Zimmer«, sagte sie zu Milan. »Hol seinen Nähkasten. Ich muss das hier zunähen.«
    Milan folgte ihrer Anweisung. Im Schrank unter den Sakkos und Cordjacken hatte Milan einige Kisten gesehen. Zügig kam er ins Wohnzimmer zurück und machte den Nähkasten neben Dorothy auf. Mit präzisen Handgriffen nähte die Krankenschwester die Stelle zu. Dann nahm sie eine Salbe aus ihrer Tasche und schmierte sie großzügig darauf. Die Salbe war knallgrün und glänzend. Auf dem einfachen Etikett stand das Wort »Pferdesalbe«. Als könnte sie Milans erstaunten Blick hinter ihrem Rücken spüren, sagte Dorothy zur Erklärung: »Mein Mann ist Tierarzt. Die Salbe wirkt Wunder. Sie unterstützt den Heilungsprozess und reduziert die Schwellung. Die Spritze ist auch von ihm.«
    Sie verband die eingecremte Stelle mit frischen Mullbinden und deckte Herrn Stein wieder zu. Als sie fertig war, packte sie ihre Sachen in Ruhe zusammen und stand auf.
    »Ich komme morgen wieder«, sagte sie sachlich. »Die Wunde muss behandelt werden. Sonst bekommt er Nekrose.«
    Milans starrer Gesichtsausdruck musste sein Unverständnis verraten haben, denn sie fügte erklärend hinzu: »Das Gewebe um die Wunde kann durch Verwesung verfallen. Das wäre an der Stelle sehr gefährlich. Sie liegt unmittelbar an den lebenswichtigen Organen. Es ist erstaunlich, dass er überhaupt noch lebt. Wenn ich die Wunde jeden Tag behandele, stehen seine Chancen gut.«
    Sie musterte Milan fragend, als wäre ihr gerade etwas eingefallen. »Wer hat die Patrone entfernt?«, fragte sie besorgt.
    »Ein Bekannter von ihm«, erwiderte Milan.
    »Und du? Warum warst du überhaupt dabei?«
    Milan verzog das Gesicht. »Ist eine lange Geschichte«, wich er aus.
    »Du willst nicht darüber reden?«, schlussfolgerte Dorothy kopfnickend und lächelte. Sie deutete auf Stein. »Du bist genau wie er.«
    Bevor Dorothy ging, suchten sie gemeinsam die Wohnung nach einem Zweitschlüssel ab, damit sie freien Zugang zum Haus haben konnte. Sie fanden ihn in einer Dose in der Küche. Dann verabschiedete sich Dorothy. Stein schlief weiter. Von dem Besuch seiner großen Liebe hatte er nicht das Geringste mitbekommen.
     
    Während der restlichen Woche besuchte Milan Herrn Stein jeden Tag nach der Schule. Er blieb bei ihm bis spät in die Nacht, dann fuhr er nach Hause, um zu schlafen. Zu seinem großen Erstaunen stellte seine Mutter keine unangenehmen Fragen. Ab und zu erkundigte sie sich nach Zeni. Milan erzählte ihr irgendeine Geschichte, aber die Wahrheit war, er ging Zeni aus dem Weg. Er wusste, was sie zu seiner Situation sagen würde. Sie wäre entsetzt, würde ihm Vorwürfe machen, auf ihn einreden. Vielleicht würde sie sogar zur Polizei gehen. Aber das wollte Milan nicht. Seit dem kurzen Telefonat am Sonntagnachmittag hatte er sich überhaupt nicht mehr bei ihr gemeldet. Er wusste nicht, was er ihr hätte sagen sollen. Er hoffte nur, dass sie genug Geduld haben würde, bis die ganze Sache endlich vorbei war.
    Herrn Stein ging es von Tag zu Tag ein bisschen besser. Bereits am Tag nach Dorothys erstem Besuch war das Fieber gesunken und der Lehrer kam allmählich wieder zu sich, deutlich geschwächt, aber am Leben. Nach und nach

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