Justice (German Edition)
es.«
»Dafür musste Catherine de Koning sterben?«, sagte Milan leise und senkte den Kopf.
Stein verneinte. »Vor fünfundzwanzig Jahren war Catherine de Koning mit einem Mann namens Craig Dean verheiratet, einem Geschäftsmann, der durch die Welt reiste. Er leistete einen ordentlichen Beitrag im Kampf gegen die Apartheid. Zumindest dachte man das damals. Aber in Wahrheit arbeitete Dean für die Staatssicherheit. Er war ein Maulwurf und ein verdammt guter dazu. Beim ANC stieg er die Karriereleiter hinauf. Auf dem Höhepunkt seines Werdegangs war er verantwortlich für die Finanzierung der Widerstandsbewegung. Während seiner Geschäftsreisen sammelte er Geld aus aller Welt, das dem ANC und Umkhonto zugute kam. Der Staatssicherheit war es natürlich lieber, dass einer ihrer eigenen Männer diese unangenehme Tätigkeit ausübte als irgendjemand anders. Dadurch wussten sie ganz genau, wo das Geld ausgegeben wurde, zu welchem Zweck und in welcher Menge. Ein Doppelspiel. Außerdem manipulierte Dean die Bücher. Eine Menge Geld kam natürlich nie beim ANC an. Die ganze Geschichte verlief im Stillen – jahrelang, bis Dean dann Anfang der 80er aufflog. Er ist ziemlich schnell abgehauen. Heute lebt er in der Schweiz.«
»Und seine Frau ist geblieben?«, fragte Milan.
»Oh ja«, nickte Stein mit einem vielsagenden Lächeln.
»Das war typisch. In den guten Jahren waren die Ehefrauen dabei, aber als das Pflaster zu heiß wurde, wollten sie mit ihren Männern nichts mehr zu tun haben. Catherine Dean ließ sich von ihrem Mann scheiden. Eine kluge Frau war das.«
»Und die Namen auf der Liste?«, hakte Milan nach. »Die Kinder? Was haben sie damit zu tun?«
»Die Deans hatten sehr gute Verbindungen ins Ausland. Als Weiße genossen sie natürlich vollständige Bewegungsfreiheit. Du darfst nicht vergessen, der ANC war damals illegal. Auf jeden Freiheitskämpfer war ein Kopfgeld ausgesetzt. Viele mussten abhauen. Die Deans halfen ihnen dabei. Zusammen schmuggelten sie Regierungsgegner über die Grenze. Sie nutzten deren Vertrauen, um weitere verdeckte Agenten in den Reihen der Freiheitskämpfer im Ausland unterzubringen. Manche Fluchtaktionen endeten mit dem Tod. Catherine de Koning war daran beteiligt. In das Heim in Mosambik, wo die fünf ermordeten Kinder tot aufgefunden worden waren, hatte sie nur wenige Tage zuvor eine Lieferung gebracht. Sie war das einzige Verbindungselement zwischen dem Heim und der Staatssicherheit. Sie hat die ANC-Kämpfer dort verraten. Sie hat das Blut der fünf unschuldigen Kinder an den Händen, egal was ihr Nachbar dazu sagt. Ich kann es beweisen.«
Die ausschweifende Geschichte von Catherine de Koning und die politischen Machenschaften und Intrigen unter der Apartheid erschütterten Milan zutiefst. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass auch Catherine de Koning keine Hinrichtung verdient hatte.
»Und wie kommt es wirklich, dass mein Großvater sie kennt?«, fragte Milan.
»Weil dein Großvater ein guter Mann ist«, erklärte Stein mit wehmütiger Stimme. »Er hatte der Widerstandsbewegung Geld gegeben. Vielleicht hatte er nur ein schlechtes Gewissen wegen der Geschichte in District Six. Vielleicht glaubte er an den ANC. Ich weiß es nicht. Aber Catherine Dean war seine Ansprechpartnerin. Ihr Mann schickte sie oft vor, um das Spiel für seine ANC-Mitarbeiter glaubhafter zu machen. Ich habe den Namen deines Großvaters auf einer Liste der Geldgeber entdeckt. Deswegen bin ich zu ihm gegangen.«
Milan zuckte überrascht zusammen. Sein Großvater hat die Widerstandsbewegung unterstützt? Davon hatte er nie etwas gesagt.
»Wusste er denn, wer Catherine de Koning wirklich war?«, fragte Milan.
»Nein, natürlich nicht. Aber ich habe es ihm gesagt.«
Milans Kopf schwirrte. Eine Flut von unbeantworteten Fragen überschwemmte ihn, aber Stein hielt eine Hand hoch, als ob er damit den Ansturm abhalten wollte.
»Ich muss jetzt aufhören. Das Reden strengt mich zu sehr an«, sagte er, seine Stimme klang brüchig und er sank wieder zurück aufs Sofa. »Bevor du gehst, könntest du mir noch einen Gefallen tun.«
Milan fing sich. »Ja natürlich«, erwiderte er.
»Hol mir eine Zeitung. Ich will wissen, was mit Kruger passiert ist.«
»Kein Problem«, sagte er und stand auf.
Stein deutete auf das Telefon. »Ich rufe morgen in der Schule an und melde mich krank«, sagte er. »Aber du musst das Drachenboottraining übernehmen. Auch in den nächsten Wochen. Wir haben nicht viel Zeit bis zum
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