Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
gelogen. Die klassische Nummer bei langfristigen Infiltrationen. Man vermischt beim Aufbau der eigenen Legende die Lügen mit ein paar geschickt platzierten Wahrheiten.«
Pops Miene ließ keinen Zweifel zu, dass er sich wunderte, wovon Pollock da redete, aber er zuckte schließlich nur die Achseln, stand auf und nahm einen langen, genüsslichen Zug an seinem Luxusjoint.
Bruno hingegen fasste Pollock am Arm. »Ich muss dir was zeigen.«
Drei Minuten später hatte Pollock eine ungemein klare Vorstellung davon, wer Trudys Aktionen finanziert hatte. Weitere zwei Minuten später sprach er per Multibox mit Lantis. Eine Stunde später war Pollock Shermar bedauerlicherweise tot, noch bevor er den Drahtzieher hinter den Morden zur Strecke bringen konnte.
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02.10.3042 A.D., 18:25
System: Sol
Planet: Erde
Ort: Lantis Island, Privatraum 3c von Wilbur Graeme Lantis
Wilbur Lantis hatte sich einen eigenen Ort dafür geschaffen, um anderen Menschen das Ergebnis schwieriger Entscheidungen mitzuteilen. Wenn ein Angehöriger seines weit verzweigten Clans von Nachkommen zu hören bekam, dass er wegen irgendwelcher allzu übertriebenen Eskapaden beim Patriarchen dauerhaft in Ungnade gefallen war, dann erfuhr er es hier. Wenn ein Atlanter in eine finanzielle Notlage geriet und seinen monetären Beitrag zum guten Gelingen des Gesamtprojekts At Lantis nicht mehr leisten konnte, wurde ihm von Wilbur hier eröffnet, dass er seinen Wohnkomplex binnen Monatsfrist zu räumen hatte. Insofern war es nur passend, dass Lantis den Mann, der so viel Unheil über sein kleines Reich gebracht hatte, nun auch genau hier empfing.
Der Privatraum 3c war einer Kapitänskajüte nachempfunden. Zugegebenermaßen hatte es selbst in den absoluten Hochzeiten der Segelschifffahrt vor so vielen Jahrhunderten nie ein Schiff gegeben, das einen Raum dieser Größe in seinem Rumpf hätte fassen können: Die schmiedeeisernen Ketten der Laternen, die von den hölzernen Querbalken herabbaumelten, waren mehrere Meter lang. In den mannshohen Schränken und Verschlägen, die ringsum in die dunklen Wände eingelassen waren, hätte man mehrere komplette Hausstände unterbringen können. Allein der mit antiken Dekorationen wie brüchigen Seekarten, Sextanten und Fernrohren geschmückte Tisch, an dem Wilbur saß, hätte eine originalgetreue Kajüte vollständig ausgefüllt. Wilbur war sich des augenscheinlichen Anachronismus seiner riesenhaften Schöpfung durchaus bewusst, doch es war der romantische Gedanke dahinter, der für ihn zählte. Lenke ich nicht auch ein Schiff durch die Untiefen der Zeit? Ein Schiff, das meinen Namen trägt? Und ist es nicht an mir, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Mann und jede Frau an Bord ein glückliches Ende unserer Fahrt zum Ziel hat? Und dass ich die, die andere Ziele verfolgen, gnadenlos zur Rechenschaft ziehe und sie unschädlich mache, bevor sie dem Schiff den Untergang bringen?
»Worüber möchten Sie mit mir reden, Wilbur?«, fragte sein Gast. Die Frage kam sachlich und beinahe heiter. Der Tonfall passte zur Körperhaltung des Ex-Militärs: Er hatte die Beine locker übereinander geschlagen, und seine Hände ruhten entspannt auf den samtgepolsterten Armlehnen seines Stuhls.
»Über die Todesfälle der letzten Wochen«, sagte Wilbur offen. »Und Ihre Verstrickung darin.«
Wilbur war in seinem langen Leben nur wenigen Menschen begegnet, die seinem Blick standhalten konnten, wenn er Kritik an ihnen übte oder Anschuldigungen gegen sie vorbrachte. Leo Beauregard war einer von ihnen. »Ich hoffe sehr, Sie sprechen die Tatsache an, dass ich es gewesen bin, der den feigen Mord an Cathy Clark umgehend gerächt hat.«
»In gewisser Weise ja«, räumte Wilbur ein. Er wird bis zur letzten Kugel kämpfen, wie nicht anders zu erwarten. Na schön … »Die Obduktion von Cathy hat etwas sehr Interessantes ergeben. Sie hatte ein Neurotoxin im Körper. Ein ausgesprochen schnell wirkendes Gift. Die Atmung setzt schon nach wenigen Sekunden aus. Kein künstlicher Stoff übrigens. Einer, der in der freien Natur vorkommt. Der Dukatskorpion lähmt damit seine Beute. Es spricht vieles dafür, dass Cathy schon längst tot war, bevor man ihr die anderen Verletzungen zugefügt hat. Und bevor ihr die Implantate zur Steuerung ihrer Neuroiden aus dem Kopf gerissen wurden.«
»Und weiter?« Beauregard zuckte die Achseln. »Dann hat dieser kranke Bulle sie also zuerst vergiftet, bevor er ihren Leichnam misshandelt hat.«
Wilbur sog Luft durch die Zähne.
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