Justin Mallory 01 - Jäger des verlorenen Einhorns
»Ich hätte schwören können, dass wir auf demselben Weg zurückgehen, auf dem wir gekommen sind.«
»Das tun wir auch, John Justin«, sagte der Elf.
Mallory schüttelte den Kopf. »Die Straße war vorher dunkel. Sieh sie dir jetzt mal an. Die Straßenlaternen leuchten inzwischen, und etliche Wohnungen sind beleuchtet.«
»Das waren sie die ganze Zeit lang«, versicherte ihm Murgelström.
»Blödsinn.«
»Doch, waren sie«, beharrte der Elf. »Du konntest es vorher nur nicht sehen.«
»Warum nicht?«
Murgelström kratzte sich am Kopf. »Ich vermute mal, es liegt daran, dass du ein Eindringling warst, der aus deinem Manhattan herüberspaziert war. Jetzt gehörst du auf Gedeih und Verderb dazu.«
»Und was bedeutet das?«
»Es bedeutet einfach alles.«
»Wieso?«
»Ausgezeichnete Frage!«
»Du weißt es nicht«, sagte Mallory.
»Ich habe niemals behauptet, etwas anderes zu sein, als ich nun mal bin: ein teuflisch gut aussehender Elf von normaler Intelligenz und normalen sexuellen Bedürfnissen ...«
»Und stark eingeschränkter Erwartung eines langen Lebens«, warf Mallory ein.
»Stimmt«, pflichtete ihm Murgelström unglücklich bei. »Jedenfalls habe ich nie behauptet, ich wäre ein Gelehrter oder Hellseher, und ich finde es durch und durch unfreundlich von dir, mich für diese Unzulänglichkeiten ständig schlecht zu machen.«
Mallory wollte gerade etwas dazu sagen, aber in diesem Augenblick folgten sie Felina um eine Ecke, und er stellte fest, dass Murgelströms Manhattan vollständig zum Leben erwacht war. Es war immer noch kalt und am Regnen, aber auf der Straße herrschte reges Treiben von Elfen, Gnomen, Goblins, Trollen und noch weniger menschlichen Passanten, aber auch von den unterschiedlichsten Männern und Frauen. Stämmige bunte Elefanten und Zugpferde transportierten einen endlosen Strom von Karren und Kutschen, während seltsame kleine Straßenhändler, die weder Menschen noch Elfen waren, alles Mögliche verhökerten, von Spielsachen bis hin zu mystischen Edelsteinen.
Ein großer Mann mit schuppiger Haut und seltsamen, starr blickenden Augen stand vor einem Kleidergeschäft und drehte mit langen Fingern, zwischen denen sich Schwimmhäute spannten, langsam die Kurbel eines Leierkastens. Ein kleiner blonder Junge an einer Leine näherte sich Mallory, einen Becher in der Hand und ein hoffnungsvolles Lächeln im Gesicht. Mallory warf ihm eine Münze zu, die der Junge mit dem Becher auffing, und nachdem er sich tief verneigt hatte, schlug er ein Rad auf eine vorbeigehende Frau zu und führte einen kleinen Tanz auf, bis auch sie einen Beitrag geleistet hatte.
»Ich erhalte ein Grundhonorar plus Spesen, stimmts?«, fragte Mallory auf einmal.
»Das ist richtig, John Justin«, antwortete Murgelström.
»Ich wollte nur sichergehen, dass du dich erinnerst.«
»Wieso?«, wollte der Elf wissen.
»Weil ich nass bis auf die Haut bin und mir den Arsch abfriere«, sagte Mallory und ging zur Vordertür des Kleidergeschäfts. Der Leierkastenmann wich ihm aus, und Mallory bemerkte, dass er eine Reihe Kiemen an jeder Seite des dicken Halses hatte.
»Übertreib es nicht, John Justin«, mahnte ihn Murgelström. »Meine Mittel sind sehr begrenzt.«
»Dann hol mehr aus der hohlen Luft.«
»Das Geld ist nichts wert.«
»Was?«, fragte Mallory drohend.
»Oh, es ist in deinem Manhattan völlig okay!«, beruhigte ihn der Elf. »Wo kämen wir jedoch hin, falls in meiner Welt jeder, der Geld braucht, es einfach aus der hohlen Luft pflückt?«
»Dann gib mir Geld, das hier etwas wert ist.«
Murgelström zählte widerwillig fünfhundert Dollar ab und gab sie ihm zusammen mit einer Hand voll Wechselgeld. Mallory betrachtete das Geld kurz, steckte es ein und betrat das Geschäft. Dort herrschte ein für diese abendliche Stunde überraschendes Gedränge. Die Kundschaft war mit allem Möglichen angetan, von Smokings bis zu Rüstungen, abgesehen von einem beleibten Mann mittleren Alters, der nichts weiter anhatte als eine Melone und einen Regenschirm mit Goldgriff. Die meisten Ankleidepuppen trugen diverse Gewänder und Abendkleider aus Satin und Samt, obwohl eine Hand voll auch mit Kettenhemden angetan war und eine mit Jodhpurhose und Tropenhelm. Zwei lebende Modelle, eines über zwei Meter groß und das andere kleiner als Murgelström, spazierten die Gänge auf und ab und zeigten herabgesetzte Seersuckerkostüme.
»Interessant«, bemerkte Mallory.
»Langweilig«, hielt ihm Murgelström entgegen, der
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