Justin Mallory 01 - Jäger des verlorenen Einhorns
fragte Mallory zweifelnd.
»Es hat mich schneller gemacht, wann immer ich einen Tierarzt auf mich zukommen sehe, das kann ich dir verraten«, sagte Eohippus bitter. Er wieherte. Es klang im höhlenartigen Innenraum der Scheune wie ein Seufzen. »Sobald ich mich erholt hatte, war ich zurück auf der Rennbahn.«
»Vielleicht hätten sie es mal mit Scheuklappen probieren sollen«, sagte Mallory.
»Das haben sie.«
»Hat es geholfen?«
»Scheuklappen sind für Pferde, die sich umsehen, die sich nicht auf ihre Aufgabe konzentrieren. So war ich nicht. Ich habe auf jedem Schritt mein Bestes gegeben. Die Scheuklappen haben nicht mehr erreicht, als mir zwei Drittel der Welt zu verschließen.« Er zögerte. »Dann kamen die Medikamente.«
»Illegale?«
Eohippus schüttelte den Kopf. »Sie waren vollkommen legal. Mein Trainer dachte, dass ich vielleicht wunde Muskeln hätte, und die Medikamente dienten dazu, die Schmerzen zu maskieren.« Er wieherte erneut. »Sie haben meine Schwester verkrüppelt, die nie bemerkte, dass sie einen wunden Knöchel hatte, bis er brach, aber ich war vollkommen gesund.«
»Nur langsam«, sagte Mallory.
Das kleine Pferd nickte traurig. »Nur langsam«, stimmte es ihm unglücklich zu.
»Na ja, nicht jeder kann wie Seattle Slew sein.«
»Das war mein Großonkel«, stellte Eohippus fest.
»Wirklich?«, fragte Mallory. »Ich bin fast Pleite gegangen bei dem Versuch, Pferde zu finden, die seinesgleichen schlagen konnten.«
»Er lief die Gegengerade entlang, und die Bäume schwankten«, erinnerte sich Eohippus ehrfürchtig. »Und ich wollte so sehr mit ihm gleichziehen! Dazu war ich geboren worden - so schnell zu laufen, dass meine Hufe kaum den Boden berührten, dass ich ein Loch in den Wind bohrte. Und oh, wie ich es versucht habe! Ich habe mir die Seele aus dem Leibe gerannt ...« Er legte eine tragische Pause ein. »... aber ich hatte einfach nicht das Talent.«
»Also, was ist passiert?«
»Eines Tages lief ich auf einer Provinzbahn in New Mexico und verlor den Kontakt zum führenden Pferd, wie es mir stets nach etwa einer halben Meile erging. Mein Jockey begann mich zu peitschen - und auf einmal geriet der Sattel ins Rutschen, und er stürzte zu Boden.«
»Dein Trainer hatte den Gurt nicht richtig angezogen.«
»Das dachte ich auch«, sagte Eohippus. »An dem Abend fiel mir allerdings auf, dass ich mich etwas höher strecken musste als gewöhnlich, um an meinen Hafer zu gelangen. Und als die Trainingsreiterin mir am nächsten Tag bei einem Trainingslauf die Fersen gab, rutschte der Sattel erneut ab. Da war mir klar, dass ich schrumpfte. Jedes Mal, wenn mich jemand schlug oder trat, wurde ich kleiner.« Er zögerte. »Schließlich wurde ich zu klein, um noch an Rennen teilzunehmen, und man beendete meine Laufbahn - aber ich schrumpfte weiter. Dann dämmerte mir schließlich die ganze Wahrheit - dass ich jedes Mal kleiner wurde, wenn man irgendein Pferd bei einem verlorenen Rennen peitschte oder sonst wie misshandelte. Da wechselte ich meinen Namen zu Eohippus - dem des ersten Pferdes. Etwas von mir existiert in allen Rennpferden und etwas von ihnen in mir.«
»Wie lange läuft das jetzt?«, fragte Mallory.
»Seit etwa zehn Jahren«, antwortete Eohippus.
»Du scheinst während unseres Gesprächs nicht weiter geschrumpft zu sein«, sagte Mallory, »und doch müssen in diesem Augenblick irgendwo auf der Welt Rennen laufen und Rennpferde gepeitscht werden.«
»Das ist auch so«, bestätigte Eohippus. »Inzwischen bin ich allerdings so klein und ist die Veränderung proportional so geringfügig, dass man es von einer Woche zur nächsten kaum noch erkennt.«
»Wie hat es dich hierher in den Central Park verschlagen?«
»Das hier ist ein Stall für ausgediente Rennpferde, die der Gelatinefabrik entgangen sind«, erklärte Eohippus. »Die meisten ziehen jetzt Wagen; ein paar tragen fette kleine Kinder auf den Reitwegen spazieren.«
»Erzähl mir nicht, dass du Wagen ziehst«, sagte Mallory.
»Nein«, sagte Eohippus, »aber ich fühle mich hier wohl.«
Mallory hörte ein sehr deutliches Pferdelachen direkt hinter sich. Er drehte sich um und blickte in ein dunkles Pferdegesicht, das ihn betrachtete.
»Nichts dient hier dem Wohlbefinden«, erklärte das Pferd mit dem dunklen Gesicht. »Wir sind ein Haufen gebrochener Wracks, die hier die Zeit totschlagen, während sie auf das Grab oder die Hundefutterfabrik warten.«
»Du klingst verbittert«, fand Mallory.
»Warum auch nicht?«,
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