Justin Mallory 01 - Jäger des verlorenen Einhorns
Ihnen zwanzig Prozent vom Listenpreis, wenn Sie das Zeug wegschaffen.«
»Es war nett, mit Ihnen zu reden«, sagte Mallory und beschleunigte seine Schritte.
»Dreißig Prozent!«, sagte der Mann und blieb endlich stehen. »Und das ist mein letztes Angebot.«
Mallory ging weiter.
»Fünfzig, und das ist mein absolut endgültiges vorletztes Angebot!«
Der Mann hatte schon den doppelten Listenpreis erreicht, ehe Mallory schließlich außer Hörweite war.
Er hatte gerade weitere hundert Meter zurückgelegt, als sich ihm ein großer, ungepflegter Mann im Regenmantel anschloss, einen Pappkarton in einer Hand.
»Ich wünsche Ihnen einen guten Abend, Sir«, sagte der Mann, der jetzt neben ihm herging. Mallory nickte nur und ging weiter.
»Es freut mich zu sehen, dass sie davongekommen sind, ohne Sonnenmilch zu kaufen.« Der Mann lachte in sich hinein. »Man stelle sich mal jemanden vor, der dumm genug ist, dieses Zeug in einem Schneesturm zu verkaufen!«
»Was verkaufen Sie?«, wollte Mallory wissen.
»Verkaufen? Mein lieber Sir, das tut mir in der Seele weh! Sehe ich nach einem Verkäufer aus?«
»Fragen Sie nicht.«
»In Wirklichkeit gebe ich etwas her.«
»Ich habe es eilig.«
Der Mann schritt flotter aus. »Werfen Sie mal einen Blick hinein, Sir«, sagte er und drückte Mallory den Pappkarton in die Hand.
Mallory nahm ihn zur Hand und öffnete ihn, ohne langsamer zu werden, und verzog dann das Gesicht. »Das sieht nach einem Haufen Würmer aus.«
»Nicht einfach Würmer, Sir«, sagte der Mann und gab entrüstete Würde vor. »Tauwürmer!«
»Worin liegt der Unterschied?«
»Worin liegt der Unterschied zwischen einem Skateboard und einem Rolls-Royce?«, lautete die Gegenfrage des Mannes. »Das sind reinrassige Tauwürmer, Sir, jeder einzelne mit einem Stammbaum über fünf Generationen, jeder bei der ARG registriert.«
»Der ARG?«, fragte Mallory und gab ihm den Karton zurück.
»Der Amerikanischen Regenwurmgesellschaft«, erklärte der Mann. »Das ist seit 1893 unser Dachverband.«
»Was zum Teufel soll ich mit Tauwürmern?«
»Sie sind zum Angeln.«
»Es schneit heftig, falls Ihnen das nicht aufgefallen ist.«
»Das wird diesen pelzigen Burschen nichts ausmachen.«
»Sie sehen eher schleimig als pelzig aus.«
»Da haben Sie völlig recht, Sir«, pflichtete ihm der Mann nach einem Blick in den Karton bei. »Es wird diesen schleimigen kleinen Burschen nichts ausmachen.«
»Was ich meinte: Wer ist schon verrückt genug, um in einem Schneesturm angeln zu gehen?«
»Fast niemand, Sir. Denken Sie mal: Sie haben den Platz ganz für sich!«
»Ich bin hier auf einem Reitweg im Central Park. Man findet hier gar keine Fische.«
»Ah, aber falls Sie doch einen antreffen, überlegen Sie nur, wie hungrig er sein wird!«
»Tauschen Sie sie gegen die Sonnenmilch ein«, sagte Mallory.
»Ich biete auch einen Grabstein zum Verkauf«, versuchte der Mann ihn zu überreden.
»Sie bieten einen Grabstein zum Verkauf?«, wiederholte Mallory.
»Falls Sie zufällig Jessica Ann Milford heißen und im August 1974 ertrunken sind«, erläuterte der Mann genauer.
»Heiße ich nicht und bin ich nicht.«
»Er ist wirklich absolut günstig!«, fuhr der Mann eifrig fort. »Marmor, mit aufgetürmten Bierdosen auf einem Feld aus Injektionsnadeln. Sehr geschmackvoll.«
»Ich überlege es mir«, sagte Mallory und setzte sich erneut in Bewegung.
»Ich warte genau hier auf Ihre Entscheidung«, sagte der Mann.
Mallory schüttelte den Kopf und schritt flotter aus. Es schneite weiter, und der Wind peitschte die Schneeflocken jetzt so heftig durch den Park, dass die Sichtweite fast auf null sank. Wenige Minuten später war Mallory überzeugt, dass er vom Reitweg abgekommen war, aber als er sich umdrehte und denselben Weg zurückgehen wollte, stellte er fest, dass der Schnee seine Fußabdrücke völlig ausgelöscht hatte. Er sah sich nach den Lichtern an der Fifth Avenue um, aber der Schnee verdeckte sie völlig, und er stellte mit einem flauen Gefühl fest, dass er sich verlaufen hatte.
Leise verfluchte er Murgelström und machte sich dann auf die Suche nach einem Unterschlupf. Die Schneedecke breitete sich endlos vor ihm aus, aber er glaubte ein Gebäude zu seiner Linken zu erkennen, zog den Kopf zum Schutz vor dem Wind ein und suchte sich langsam seinen Weg dorthinüber.
Als er gerade schon überzeugt war, dass er sich geirrt hatte, legte sich der Wind, und Mallory sah nur wenige Schritte voraus ein großes Steinbauwerk.
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