Justin Mallory 02 - Mallory und die Nacht der Toten
näherte sich ihnen ein silberhaariger Mann in einem Laborkittel.
»Willkommen im Museum für die Geschichte des Unnatürlichen«, sagte er. »Grüße und Glückwünsche! Froher All Hallows’ Eve. Juhu!« Er unterbrach sich. »Was denken Sie, war das genug?«
»Wovon genug?«, wollte Nathan wissen.
»Der Vorstand hat mich angewiesen, in die Feierlichkeiten einzustimmen, wann immer Gäste auftauchen. Gestatten Sie mir, mich vorzustellen. Ich bin Professor Seldon Hari, der Museumsdirektor. Mein Spezialgebiet ist Devolution, aber ich kann Ihnen alles zeigen, was Sie sehen möchten.«
»Devolution?«, fragte Mallory. »Was ist das?«
»Wieso, natürlich die Antithese zur Evolution«, antwortete Professor Hari. »Nehmen Sie zum Beispiel Ihre Kinder. Vor fünfundsiebzig Jahren hörten sie sich noch die anspruchsvolle Jazzspielweise eines Benny Goodman an, und wenn sie von einer Band sprachen, meinten sie damit Tommy oder Jimmy Dorseys. Vor fünfzig Jahren verkörperten Little Richard und Screamin’ Jay Hawkins ihre Vorstellung von Musik. Ein weiterer Devolutionsschritt, und sie standen andächtig vor dem Altar von Kiss. Und heute ist jede Spur von Musik verschwunden und wurde durch etwas ersetzt, was man Rap nennt.« Er schüttelte den Kopf. »Von Beethoven bis hierhin in weniger als zweihundert Jahren. Falls das nicht Devolution ist, dann weiß ich auch nicht mehr, was eigentlich.«
»Sie sprechen nur von einem Gebiet, der Musik«, wandte Nathan ein. »Ist das nicht ein wenig zu eng gefasst, um einen solchen Schluss zu ziehen?«
»Nehmen Sie irgendeine populäre Unterhaltungsform«, entgegnete Professor Hari. »Unser Humorgeschmack hat sich evolutionär von Mort Sahl und den Marx Brothers zu Adam Sandler und Borat zurückentwickelt. Unsere Helden sind von John Wayne zu Sean Penn geschrumpft. Während die Gehirne unserer Schauspielerinnen schrumpften, wuchsen ihre Brüste. Devolution. Dann ist da noch die Literatur zu nennen: 1875 waren die beiden bestverkauften Bücher der amerikanischen Geschichte Common Sense und Die Abenteuer des Huckleberry Finn. Gehen wir im Kalender weiter zum Jahr 1975, und an ihre Stelle waren Das Tal der Puppen und Die Leute von Peyton Place getreten. Muss ich noch mehr sagen? Sollen wir über das Fernsehen reden?«
»Ich fürchte, dass ich gerade nicht genug Zeit habe«, entgegnete Mallory. »Ich bin etwas auf der Spur, das nicht der Devolution anheimgefallen ist, da es schon einige Jahrhunderte alt ist.«
»Ah!«, sagte Professor Hari. »Etwas Mystisches und möglicherweise Übernatürliches.« Er runzelte die Stirn. »Sofern es sich nicht um Miss Morgan handelt, meine Englischlehrerin auf der Highschool. Sie terrorisiert seit der Steinzeit Schüler.«
»Es ist nicht Ihre Lehrerin«, sagte Mallory.
»Gut! Sie ist das Einzige, was mir je Angst eingejagt hat. Na ja, abgesehen vom siebzehnten Loch auf Pebble Beach, und natürlich ist das ein unbelebtes Etwas, obwohl man manchmal nachdenklich wird angesichts der Art, wie die Sandlöcher regelrecht nach meinen Golfbällen zu greifen und sie sich zu schnappen scheinen.«
»Ich bin einem Vampir aus Transsilvanien auf der Spur«, fuhr Mallory fort. »Er hat schon viele Namen benutzt, darunter Vlad Dracule. Ich denke mir, wenn ich irgendetwas über ihn lernen kann, dann hier.«
»Ah, Vampire!«, sagte Professor Hari und klatschte begeistert die Hände zusammen. »Echte Vertreter der unnatürlichen Geschichte der Welt. Faszinierende Kreaturen!«
»Können Sie mir irgendetwas über sie erzählen?«
»Ich kann Ihnen nahezu alles über sie erzählen, junger Mann. Wussten Sie zum Beispiel schon, dass sie bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts weithin als Wampyre bekannt waren?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Oder dass man sie auch als Nosferatus kannte?«
»Ich bin sicher, dass die Ursprünge ihrer Namen ein grenzenlos faszinierender Stoff sind, aber ich muss diesen Vampir fangen, ehe die Sonne aufgeht, und dazu wissen, wie ich mich schützen kann.«
»Gewiss, gewiss«, sagte Professor Hari. »Irgendwann dachte man mal, dass man auf einer kleinen Insel völlig sicher wäre oder auch in einem Ruderboot, da Vampire Wasser nicht überqueren könnten, aber natürlich können sie das.«
»Ich weiß.«
»Man verfocht auch die Idee, dass ein Vampir Ihre Schwelle nicht überschreiten könne, solange Sie ihn nicht einladen.« Der Professor seufzte. »Hat natürlich nicht funktioniert.«
»Was funktioniert denn nun?«
»Eine
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