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Justiz

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Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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wissen Sie weshalb?
    Weil Sie nicht zu repräsentieren verstehen, keine Haltung und 49
    keinen Bauch besitzen. Studiert zu haben ist ja was Feines, aber mit guten Examen imponieren Sie außer den Schulmeistern niemandem.
    Ein Schreibtisch genügt nicht, Sie können so lange dahinter thronen, wie Sie wollen, die Kunden kommen nicht angeschwommen. Mit Recht, weshalb sollten sie. Nein, mein Freundchen, Ihre Enttäuschung ist fehl am Platz, VW und Mansarde sind nicht nur ein soziales, sondern auch ein wenig ein geistiges Armutszeichen, nehmen Sie es mir nicht übel. Nichts gegen Redlichkeit und Bescheidenheit, aber ein Rechtsanwalt hat aufzutreten, daß die Erde zittert. Was Sie fürs erste brauchen, sind richtige Büroräume, mit Ihrem Taubenschlag kommen Sie nicht aus, dorthin klettert Ihnen kein Mensch nach, man will schließlich prozessieren, nicht sportliche Höchstleistungen vollbringen. Kurz und gut, so geht das nicht mehr weiter, ich will Ihnen eine Chance geben. Kommen Sie morgen um sieben in der Früh in mein Büro, bringen Sie mir vier Tausenderlappen mit, und dann werden wir Ihnen einige anständige Räumlichkeiten am Zeltweg zuschanzen.«
    (Was folgte, waren längere Ausführungen über eine gigantische Bodenspekulation, dazu weiterer Gipfelkonsum und Milchkaffeegenuß, die Ausführungen ironisch und sardonisch, getragen vom Bewußtsein, daß hierzulande die größten Gaunereien nur legal abgewickelt werden können und abgewickelt werden, und dann kam er noch auf ein Strawinsky-Festival und einen Honegger-Zyklus zu sprechen, und wie ich mich erhob, meinte er noch, das Verkehrschaos käme davon, daß wir einen Stadtpräsidenten hätten, der Fußgänger sei.)
    c) Privatdetektiv Fredi Lienhard: gleicher Jahrgang wie ich. Hager, schwarzhaarig, ein Mann von auffallender Schweigsamkeit und kurzen Sätzen. Einziges Kind geschiedener Eltern. Als Gymnasiast stand er unter dem Verdacht, seine Mutter samt ihrem Geliebten ermordet zu haben, man fand sie beide nackt in Mamas Schlafzimmer, fein säuberlich hingestreckt, sie auf dem Bett, der Geliebte, ihr Psychiater aus Küsnacht, davor, wie ein Bettvorleger.
    Lienhard wurde aus der Maturitätsprüfung geholt, er war gerade 50
    dabei, aus Tacitus zu übersetzen, als ihn die Polizei schnappte, seine Lage schien aussichtslos, nur er kam in Frage, nur er hatte sich in der Mordnacht im Hause aufgehalten, wenn auch nach seiner Aussage friedlich auf seiner Gymnasiastenbude, in einer Mansarde, vollgestopft mit Klassikern und Büchern über Zoologie. Dazu kam noch das Pech, gerade achtzehn geworden zu sein, so daß er nicht in die Fänge des Jugendanwalts, sondern in die weitaus unbarmherzigeren Jämmerlins geriet. Die Verhöre in der Untersuchungshaft und später vor dem Geschworenengericht fielen denn auch hart genug aus, Jämmerlin rückte dem Gymnasiasten mit allen Regeln der Kunst zuleibe, doch hielt sich Lienhard glänzend, geradezu überlegen, die handfesten Indizien wiesen auf einmal bedenkliche Widersprüche auf, und endlich blieb nichts anderes übrig, als ihn freizusprechen; nicht einmal zur Bevormundung reichte die rechtliche Handhabe. Jämmerlin tobte, erlitt seinen ersten Nervenzusammenbruch, versuchte dann noch mehrere Male, wenn auch vergeblich, ans Bundesgericht zu appellieren, den Prozeß wiederaufzunehmen, um so mehr als sich Lienhard nun zu rächen begann. Der Verdächtige war zu Geld gekommen, zu irrsinnigen Summen, sein geschiedener steinreicher Vater vermachte ihm alles, dazu kamen die Kapitalien seiner finanzkräftigen Mutter, überhaupt rollte, strömte, flog ihm der Pulver von allen Seiten zu, sammelte sich an, summierte, multiplizierte, potenzierte sich, er brachte eine Erbschaft um die andere unter Dach, innerhalb kürzester Frist, Großeltern, Tanten, Onkel rückten eilig, sozusagen per Schub, in die Ewigkeit ein, dazu noch eventuelle Erben, es war, als ob Himmel und Hölle ihren ganzen Vorrat von Todesarten einsetzten, um Lienhard mit allen Gütern zu segnen, und er wurde gesegnet. Eben aus dem Bereiche des tobenden Jämmerlin entlassen und kaum zwanzigjährig, schälte er sich als mehrfacher Millionär heraus. Es war sagenhaft, mehr Glück als Verstand war im Spiel, wenn auch dieser beträchtlich war. Denn gegen den Staatsanwalt ging er ebenso systematisch wie einfach vor: er hielt sich ständig in dessen Nähe auf. Jämmerlin konnte sein, wo er wollte, Lienhard lief ihm über den Weg. Bei jedem Plädoyer grinste ihm irgendwo Lienhards Gesicht

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