Juwel meines Herzens
würden.«
Nolan blickte über seine Schulter. Einer der britischen Seemänner hatte einen schwächlichen Jungen an Deck gezerrt, der mit Händen und Füßen darum kämpfte, seinen zerknüllten Hut aufzubehalten und sich zugleich aus dem feindlichen Griff zu lösen. Wer auch immer der Junge sein mochte, zu Nolans Crew gehörte er jedenfalls nicht. Der Kapitän tauschte mit Tyrell einen stummen, fragenden Blick, aber auch der zuckte nur unwissend mit den Schultern.
Aller Augen waren auf den zappelnden Burschen gerichtet. Als der englische Soldat seinen Gefangenen endlich losließ, rückte der Junge sorgfältig seine Kleider zurecht und zog sich den zerknautschten Dreispitz über die Augenbrauen.
Langsam schritt Leutnant Greeley auf ihn zu. »Und wen haben wir hier?«
Ein blinder Passagier! Nolan lagen die Worte schon auf der Zunge, konnte seine Antwort aber im letzten Moment hinunterschlucken, als er die gerade Nase und die weichen Lippen unter dem Hut erkannte. Jewels Lippen, voll und sinnlich, hatten ihn bis in seine Träume verfolgt.
Leutnant Greeley musterte die schmale Person. »Wie ist dein Name, Junge?«
Jewel senkte den Kopf und täuschte einen Hustenanfall vor, ehe sie mit tiefer Stimme antwortete: »Joe, Sir.«
Leutnant Greeley trat sofort zurück und bedeckte Nase und Mund mit einem spitzenbesetzten Taschentuch, das er aus seinem Ärmel zog. Krankheiten griffen auf Segelschiffen schnell um sich und konnten ganze Besatzungen auslöschen. Trotzdem ließ Greeleys übertriebene Reaktion darauf schließen, dass sie es mit einem Hypochonder zu tun hatten, was sich als ein Wink des Schicksals herausstellte. Zu Nolans Erleichterung schien sein anfängliches Interesse an Jewel rapide zu schwinden.
»Und warum versteckst du dich, Joe?«, nuschelte er in sein Taschentuch.
Entschlossen trat Nolan zwischen die beiden. »Er hat nur Angst. Seht Ihr denn nicht, dass er noch ein Junge ist? Er ist mein Neffe.«
Bei seinen Worten schnellte Jewels Kopf überrascht hoch. Mit weit geöffneten Augen blickte sie Nolan an. Obwohl sie schnell merkte, dass sie sich durch ihre Reaktion auf Nolans Worte verraten konnte, richtete ihr sanfter Augenaufschlag, als sie ihren verschwörerischen Blick wieder senkte, noch mehr Schaden an. Die Geste war so feminin wie nur irgend möglich.
Noch ehe Nolan verstand, was Greeley im Schilde führte, trat er um Nolan herum und riss Jewel den Hut vom Kopf. Einer Kaskade gleich ergoss sich ihr kaffeebraunes Haar über ihren Rücken.
»Er ist eine Sie. Neffe also, sagten Sie, Captain? Ihr Verhalten ist verabscheuungswürdig, aber wahrscheinlich kann man von euch unzivilisierten Kolonisten nichts anderes erwarten. Kein Wunder, dass Ihr solche Angst hattet, Devlin könnte Euch Eure kleine Wärmflasche wegschnappen. Das ist sie doch, oder?«
»Nehmt, wen ihr wollt, aber verlasst auf der Stelle mein Schiff.« Nolans hitzige Worte waren an Greeley gerichtet, doch sein Blick konnte sich nicht von Jewel lösen.
»Jetzt kann es Euch auf einmal also nicht schnell genug gehen, was?« Der Leutnant ging vor Nolans Mannschaft auf und ab und prüfte jeden Mann, als wäre er ein Pferd, das er zu kaufen beabsichtigte. Ein Wunder, dass er sich nicht auch noch ihr Gebiss besah.
Als Nolan schließlich seine Augen von Jewel abwenden konnte, sah er sich nach einem Komplizen um. Bellamys Tochter konnte unmöglich allein auf das Schiff gelangt sein! Wayland schirmte seine Augen ab und studierte interessiert den wolkenlosen Himmel. Zweifellos, er musste ihr geholfen haben. Tyrells fragender Blick erregte Nolans Aufmerksamkeit. Die sonst so offen zur Schau getragene Bewunderung seines Leutnants war verschwunden. Nolan schüttelte leicht den Kopf, um anzudeuten, dass jetzt nicht die Zeit für eine Erklärung war.
Greeley blieb vor Tyrell stehen. »Den hier, den nehme ich.«
Nolan baute sich vor ihm auf. »Nein, das werdet Ihr nicht, Leutnant. Er ist mein einziger Offizier.«
»Ein Offizier? Ist das hier etwa ein militärisches Schiff? Vielleicht sollten wir uns Eure Fracht mal genauer ansehen, was Captain?« Leutnant Greeley lächelte teuflisch.
»Das wird nicht nötig sein.« Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war, dass Greeley entdeckte, dass ihre einzige Fracht an Bord Waffen waren. Nicht dass Nolan nicht zu gern gesehen hätte, wie dem fetten Mann das höhnische Grinsen auf seinem Gesicht erstarrte, wenn dieser erkannte, über wie viel Feuerkraft sie tatsächlich verfügten, aber es blieb dabei:
Weitere Kostenlose Bücher