Juwel meines Herzens
räusperte sich, doch nicht, ehe er erkannt hatte, wie tief er sie verletzt hatte. Warum musste er immer der Schurke sein, wenn es um Jewel ging?
»Du bist nicht der erste Mann, der mich für eine Hure hält«, sagte sie. Der harte Ton ihrer Stimme brach sogar Nolan das Herz, der nicht gedacht hätte, dass er überhaupt noch eins besaß.
»Aber ich halte dich nicht …« Er brach ab, als sie den Kopf schüttelte. Zum einen fürchtete er, dass alles, was er sagen würde, zu grob wäre, zum anderen, dass er ihr tatsächlich etwas Erniedrigendes unterstellt hatte.
»Doch, das hast du.« Bei ihrem traurigen Lächeln zog sich sein Herz zusammen. »Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich so wild entschlossen war, mit dir den Schatz zu suchen. In Charles Town hatte ich kaum eine andere Wahl gehabt. Entweder hätte ich einen Mann geheiratet, den ich nicht liebe, oder ich wäre für immer von Männern abhängig geblieben, die mich verachten.«
Jeder Instinkt in Nolan verlangte danach, Jewel zu beschützen, doch er konnte und durfte diesem Drang nicht nachgeben. Er ging Hand in Hand mit einer sehr viel dunkleren Begierde. Er musste die Kajüte unbedingt sofort verlassen. »Gut. Aber dann halte dich besser von Tyrell fern.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Einen Augenblick lang erinnerte Jewel ihn so sehr an ihren Vater, dass er sich ihr unterlegen wähnte. »Das ist allein Tyrells Entscheidung«, sagte sie.
Nicht wenn es nach Nolan ging. »Wayland hat mir von eurer Unterhaltung erzählt, in der es wohl um Männer ging. Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich gekommen bin, um mit dir zu sprechen.«
Jewel setzte sich wieder auf die Pritsche, drehte den Kopf und starrte aus der dunklen Fensterluke, wo es außer der pechschwarzen Nacht nichts zu sehen gab. Anscheinend starrte sie lieber ins Nichts, als ihn anzusehen. »Nun, hatte er recht?«
»Wayland?« Nolan war sich nicht mehr sicher, was er hatte erreichen wollen. Er fürchtete, sie mit allem, was er sagte, in eine Richtung zu drängen, in die er sie eigentlich nicht treiben wollte. Unwillkürlich fragte sich Nolan, ob er mit einer Frau bisher eigentlich jemals mehr als Belanglosigkeiten ausgetauscht hatte.
Jewel nickte. »Bitte lass mich nicht dich direkt fragen. Du hast das Thema immerhin auf den Tisch gebracht, also antworte mir einfach. Hatte Wayland recht?«
»Wenn du mit einem Mann in der Horizontalen landen möchtest, wird dir das innerhalb kürzester Zeit gelingen. Ist es das, was du willst?«
Sie sah ihn mit solcher Intensität an, dass er einen Augenblick lang den Atem anhielt. Er fürchtete und wünschte sich zugleich, dass sie seine Frage bejahen würde.
»Nein.« Sie blickte auf die Bodenplanken. »Ich will geliebt werden.« Ihre Stimme war so leise, dass Nolan sich anstrengen musste, um ihre Worte zu verstehen. Dann starrte sie ihn wieder an und fesselte ihn mit ihrer Aufrichtigkeit. »Ist das vielleicht zu viel verlangt? Ich weiß es nicht, denn ich habe mich noch nie geliebt gefühlt. Und du, Nolan?«
Er schluckte schwer. Ihm fehlte der Mut, ihr zu antworten. Seine Eltern hatten ihm zwar gesagt, dass sie ihn liebten, aber es hatte sich nie so angefühlt. Oft hatte er den brennenden Schmerz eines Riemens zu spüren bekommen, denn sein Vater schlug ihn wegen jeder kleinen jugendlichen Unüberlegtheit. Ob er nun einen einzigen Pfirsich vom Wagen eines Kaufmanns genommen oder einem Jungen eine blutige Nase geschlagen hatte, der ihn vor den Augen des Mädchens, in das er verliebt war, verspottete – alles verlangte umgehend nach einer schweren Strafe, um Nolans missratene Seele noch zu retten. Immer hatte sein Vater behauptet, seine Strenge geschehe ausschließlich aus Liebe zu ihm. Nolan hatte an seinen Worten nie gezweifelt, doch sein Gefühl hatte nie mit diesen Worten übereingestimmt. »Sicher hat dich deine Mutter geliebt … und dein Vater.«
»Meine Mutter ja, vielleicht hat sie mich geliebt, aber sie war zu verbittert, um es mir jemals zu zeigen. Ich weiß jetzt, dass ihre Liebe sie sehr verletzt hat. Aber mein Vater – ich habe immer davon geträumt, dass er derjenige wäre, der mir endlich die Liebe schenken würde, die ich mir wünsche. Aber jetzt beginne ich zu bezweifeln, ob er jemals so war, wie ich ihn mir vorgestellt habe.«
Oh, er würde ihr niemals sagen, was er wusste! Schließlich hatte sie ihren Vater nie gekannt. Eine kleine, unschuldige Lüge, um seine gewaltige Schuld zu mindern, würde jetzt nicht das
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