Juwel meines Herzens
letzte Nacht geschehen war, anscheinend so gut aufgenommen, dass sie ihn nicht nach seinen Heldentaten fragen wollte – egal wie überraschend sie auch sein mochten. »Könntet Ihr meine Haare herrichten?«
»Es wäre mir eine Ehre.« Ohne zu zögern, folgte er ihr zum Spiegel und fasste dann die losen Strähnen zusammen. »Wir müssen es erst auskämmen.«
Sie griff um ihn herum, um eine Bürste vom Tisch zu nehmen. »Das habe ich schon, aber sie haben sich immer wieder verknotet, als ich versuchte, sie hochzustecken.«
Tyrell strich mit der Bürste durch ihr Haar und löste die Knoten mit gekonnten Bewegungen. Das sanfte Prickeln der Borsten auf ihrer Kopfhaut beruhigte Jewel. Sie schloss die Augen und stellte sich Nolans Überraschung vor, wenn er sie mit ihren hochgesteckten Haaren sah anstelle des schlichten Zopfes, den sie sonst immer trug. Hoffentlich würde ihr das elegantere Äußere auch mehr Selbstvertrauen geben, wenn sie ihm gegenübertrat. Warum sie überhaupt so etwas wie Selbstvertrauen brauchte, um den Mann zu treffen, dem sie ihre Liebe geschworen hatte – wenn nicht mit Worten, so doch mit Taten –, war etwas, über das sie im Moment nicht allzu genau nachdenken wollte.
Unter ihre Wimpern hindurch beobachtete sie Tyrells blaue, konzentrierte Augen, als er mit seinen großen, rauhen Händen vorsichtig ihr Haar umfasste und es eindrehte. »Es tut mir leid, wenn ich unsere Freundschaft missbraucht habe«, sagte sie.
Er grinste, wandte aber den Blick nicht von ihrem Haar. »Das ist es, was mir so an Euch gefällt, Jewel. Immer direkt.«
Sie lächelte und fing seinen freundlichen Blick im Spiegel auf. »Ihr seid mir nicht böse?«
»Nein, ich bin eher erleichtert. Ihr habt mich in eine schreckliche Lage gebracht. Jeden Augenblick musste ich darauf gefasst sein, dass Captain Kenton mich auspeitschen lässt.« Mit einer geschickten Bewegung schlang er ihr Haar zu einem vollkommenen Knoten. »Wie findet Ihr es?«
Jewel verschlug es den Atem. Die kunstvolle Welle gab ihrem Gesicht etwas wahrhaft Elegantes. Und weil ihr heller Nacken betont wurde, lenkte es sogar von den Sommersprossen auf ihrer Nase ab. »Wie habt Ihr das gemacht? Ich habe mich den ganzen Morgen abgemüht.«
Er zwinkerte ihr zu. »Viel Übung.«
»Ihr wusstet also, dass ich nur versucht habe, Nolan eifersüchtig zu machen? Aber warum habt Ihr mitgespielt?« Sie hielt ihre Hand hoch, so dass Tyrell sich aus ihr an Haarnadeln bedienen konnte.
»Wenn man auf einem Schiff voller Männer ist, und das einzige Mädchen an Bord – und ein hübsches noch dazu – beginnt, mit einem zu flirten, da fragt man nicht nach einem Grund. Noch nicht einmal, wenn man Gefahr läuft, zum Koch degradiert zu werden.«
»Ich mag Euch, Tyrell.« Ihr Geplänkel beruhigte sie. »Aber ich vermute trotzdem, dass Ihr nicht der Gentleman seid, für den ich Euch hielt. Ich glaube nicht, dass Euch Eure Schwester beigebracht hat, wie man die Haare einer Frau hochsteckt.«
»Ich
weiß,
dass sie es nicht war«, ertönte plötzlich eine Männerstimme. Jewel und Tyrell drehten sich um und erblickten Nolan in der Tür stehen. Seine Miene war so finster, dass sie selbst die Sonne verdunkelt hätte.
Schnell tauschten sie Blicke aus, dann sahen sie wieder zu Nolan, der Tyrell fixierte. Ohne ein Wort legte der Leutnant die restlichen Haarnadeln zurück in Jewels Hand. Sie hielt ihren Knoten fest, damit er sich schnell aus dem Staub machen konnte.
Doch Nolan verstellte ihm den Weg. »Nur weil ich Euch als Vertretung benötige, heißt das nicht, dass Ihr irgendwelche Anrechte auf meine Frau habt.«
Tyrell nickte. »Aye, Captain.«
Nolan starrte ihn unverwandt an, als ob er ihn allein mit seinem Blick begraben könnte. Schließlich trat er nach einem langen Augenblick zur Seite und ließ Tyrell gehen.
Nolan schlug die Tür hinter ihm zu und betrachtete dann Jewel. »Du
magst
ihn also? Willst du gleich auch noch an ihm dein neues Können erproben? Deine Tricks der letzten Nacht kommen bei jedem Mann gut an, das kann ich dir versichern.«
Mit ruckartigen Bewegungen steckte sie die übrigen Nadeln in ihrem Haar fest. Ihre zitternden Finger erschwerten ihr die einfache Aufgabe. Vielleicht hatte sie ihn nur falsch verstanden? »Ich habe keine Tricks benutzt, Nolan. Ich wollte dich nur … berühren … und dachte, du wolltest das auch.«
»Das wollte ich tatsächlich, und jetzt muss ich dafür zahlen. Ich bin bereit, die Verantwortung für meine Taten zu
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