Juwel meines Herzens
bedrängt und den Kopf verloren hatte. Aber sie war seine Braut. Seine Frau! Er hatte jetzt ein Recht darauf, sich in ihrem Körper zu verlieren, und von diesem Wissen allein war er über die Maßen berauscht gewesen.
Er hatte die Kluft zwischen ihnen einfach missachtet, in freudiger Erwartung, sich an ihrem Fleisch zu vergehen. Aber sie hatte es nicht vergessen, und das würde sie auch in Zukunft nicht tun. Sie konnte es nicht ertragen, wenn er sie berührte, und das hatte ihm das Herz zerrissen, tiefer und schmerzhafter, als es Bellamys Klinge jemals vermocht hätte. Jewels Vater hatte gewonnen, und der gestohlene Ring leuchtete nun siegreich am Finger seiner Tochter.
Nolan blickte über die Weiten des Meeres. Würde Bellamy Leggett jemals sterben?
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Kapitel vierzehn
A ls er Wayland auf der Stiege sitzen sah, die Füße auf der obersten Sprosse der Leiter abgelegt, blieb Nolan stehen, bevor er nach oben aufs Deck stieg, und sah sich nach einer Möglichkeit um, ihm aus dem Weg zu gehen. Seit sie auf St. Martin haltgemacht hatten, um die Vorräte aufzufüllen, schien der alte Pirat jede seiner Bewegungen zu überwachen. Ohne Zweifel führte Wayland irgendetwas im Schilde, aber Nolan musste sich über zu viele andere Dinge den Kopf zerbrechen, als dass er auch noch daran denken konnte.
Jewel war er aus dem Weg gegangen und hatte in einer Hängematte an Deck geschlafen. Nicht dass er ansonsten ein unaufmerksamer Ehemann gewesen wäre: Er hatte sich alle Mühe gegeben und sichergestellt, dass ihr Essen besser als üblich war. Als Wayland eines Nachts per Zufall einen Hummer gefangen hatte, hatte er ihn extra für Jewel zubereiten lassen. Obwohl er mit ihr gegessen hatte – er hatte das übliche Mahl aus Pökelfleisch und Brotsuppe eingenommen –, hatte sie sich verschlossen verhalten und ihm dann irgendwann gestanden, dass sie ihre Regel bekommen hatte.
Das war jedenfalls ein sicheres Zeichen dafür, dass sie nicht schwanger war. Es gab also einen Grund weniger, dieses jämmerliche Theater, das sie Ehe nannten, noch weiter fortzuführen, denn Jewel hatte nur ihre Jungfräulichkeit verloren, sonst war nichts passiert. Die Heirat war, abgesehen von Nolans Logbuch, noch nirgendwo offiziell verzeichnet. Es würde genauso einfach sein, die private Verbindung zu lösen, wie sie sie geschlossen hatten. Doch die Gedanken brachten Nolan lediglich zu Bewusstsein, wie viel ihm Jewel eigentlich bedeutete. Er wollte mit seiner Frau alles richtig machen – bevor sie den Schatz fanden und sie beschloss, ohne ihn besser dran zu sein. Sie zu schwängern, wäre der sicherste Weg, sie an sich zu binden.
Waylands Kopf tauchte zwischen seinen Knien auf. Er rief etwas zu Nolan hinab und riss ihn damit aus seinen Überlegungen, die er zu Jewel und darüber anstellte, erneut das Bett mit ihr zu teilen. »Kommst du hoch?«
Es gab kein Entkommen. »Lasst Ihr mich durch?«, antwortete er.
»Ich wollte sowieso mit dir reden, Captain. Jetzt würde es mir gerade gut passen.«
Nolan betrat die Leiter. Er würde sich seinen Weg schon bahnen, selbst wenn er Wayland dabei treten müsste. »Ich habe zu tun.«
Der alte Pirat rückte gnädig zur Seite. Sobald Nolan einen Fuß auf das Hauptdeck gesetzt hatte, ging er in großen Schritten zum Achterdeck. Die Sonne brannte selbst durch den dünnen Stoff seines Hemdes und ließ kitzelnde Schweißtropfen seine Schulterblätter hinabrinnen. Dicke Kumuluswolken hingen schwer am Himmel, ohne dass auch nur die leiseste Brise zu spüren war – ein untrügliches Anzeichen, dass die kaum zu ertragende Hitze wohl in nächster Zeit nicht nachlassen würde.
Wayland heftete sich an Nolans Fersen. Er schien völlig unbeeindruckt von der offensichtlichen Tatsache zu sein, dass Nolan ihn loswerden wollte. Auch die sengende Hitze, die selbst die Hühner in ihren Käfigen schon zum Verstummen gebracht hatte, schien er nicht zu bemerken.
»Muss mit dir über etwas reden, und ich bin sicher, du willst nicht, dass die ganze Crew mithört.«
Unvermittelt blieb Nolan stehen. Wayland wusste immerhin von einigen Dingen, die er besser nicht wissen sollte. Und von noch einigen mehr, die auf keinen Fall noch andere Personen mitbekommen sollten. »Was ist? Beeilt Euch. Ich will wissen, ob die Insel schon gesichtet worden ist.«
»Genau darüber wollte ich mit dir sprechen. Darüber und über deine Frau – oder besser gesagt, über das Mädchen, das sie sein sollte.«
Nolans Augen wurden zu Schlitzen.
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