K. oder Die verschwundene Tochter - Roman
Jacobo?«, fragt er.
»Es gibt einen Grund, weshalb ich hier bin und nicht er«, sagt Carlos. »Jacobo ist vor zwei Monaten verschwunden. Wir machen uns ernsthafte Sorgen. Er ist verschwunden, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen.«
Der Hund
Und was sollen wir mit dem Hund machen? Mit dem Ehepaar ist ja alles glatt gelaufen, so wie’s dem Chef gefällt, keine Spuren hinterlassen, keine Zeugen, nichts, saubere Arbeit, wir sind nicht mal rein in die Wohnung, kein Risiko wegen der Nachbarn, das Haus stand viel zu nah an den anderen dran; wir haben uns die beiden in der kleinen Gasse geschnappt, Überrumpelungstaktik; bloß gut, dass da der Seitenausgang des Parks ist, etwas versteckt, als die zwei merkten, was los war, hatten wir sie schon im Auto mit einem Sack über’m Kopf; nur der Hund hat gebellt, aber es war schon zu spät. Und jetzt hört dieser verdammte Köter, diese Scheißtöle, nicht auf zu nerven. An den Hund hatten wir nicht gedacht. Der Lima, dieser Großkotz, hat ja alle Daten gesammelt – sogar den Namen des Hundes, Baleia, Walfisch, was für ein bescheuerter Name für so’n kleinen Knirps, der vor lauter Locken nicht aus den Augen gucken kann. Wo haben sie den nur ausgegraben? Ich hab Lima nochmal gefragt, ob der Name stimmt. Er würde die Hand ins Feuer legen und dann sagt er auch noch: Wieso, ist doch klar, so wie’s in dem Bericht steht – der Kerl wollte mich wohl für dumm verkaufen. Aber es hilft alles nichts, Name hin, Name her, der Hund reagiert nicht darauf, hat vom ersten Tag an nichts mehr gefressen, schlabbert ab und zu ein bisschen Wasser und das war’s; es ist jetzt schon sechs Tage her, er frisst nicht und krepiert auch nicht, liegt nur ’rum und lässt die Ohren hängen, stellt sich tot, wenn man näher kommt, knurrt er, dieses Mistvieh, als wollte er uns anklagen, als wüsste er alles; er regt sich nur, wenn die Tür aufgeht. Hellwach und mit gespitzten Ohren, schon lange, bevor man durch die Tür ist, hat er’s gemerkt und springt auf, die Ohren kerzengerade; wahrscheinlich denkt er, jetzt kommen Herrchen und Frauchen, wenn er merkt, dass es nicht so ist, sinkt er in sich zusammen. Jedes Mal das Gleiche, er ist mit einem Satz auf den Beinen, total aufgekratzt, danach bricht er zusammen, dummes Viech, kapiert nicht, dass sie nie mehr zurückkommen werden. Wie können Hunde bloß so pfiffig und gleichzeitig so blöd sein? Es hätte in dem Bericht stehen müssen, dass das Paar auf seinen Spaziergängen den Hund mitnimmt, woher sollten wir das denn wissen? Lima hat vergessen, es zu vermerken, das ist die Wahrheit, er sagt, er hat nichts vergessen, wir hätten nur zwei und zwei zusammenzählen müssen, wenn da steht, dass sie einen Hund haben und jeden Nachmittag spazieren gehen, ist ja wohl klar, dass sie mit dem Hund bei dieser Gelegenheit Gassi gehen, damit er seinen Auslauf hat und seinen Haufen machen kann, wir sind eben minderbemittelt, hat er gesagt, hat sich immer weiter über uns lustig gemacht, das Arschloch. Er hat auch nicht gesagt, dass der Hund ein Rassehündchen ist, wie die Schoßhündchen dieser Madams; es will mir nicht in den Kopf, wieso die zwei Terroristen sich so’n Hund angeschafft haben, wer weiß, vielleicht waren es ja gar keine Terroristen, das passt so gar nicht zusammen, oder vielleicht war der Fiffi nur ein Tarnmittel oder er war ein Wachhund mit seinen feinen Ohren, der Alarm schlug, aber diesmal hat er versagt, hat zu lange gebraucht, hat zu spät gebellt, ob er sich schuldig fühlt? Das werden wir nie wissen und es ist Zeit, dass wir ihm endlich den Garaus machen, das hält doch sonst kein Schwein aus. In der Nacht ist es am schlimmsten: Er hört nicht auf zu heulen, als wollte er verhindern, dass wir ein Auge zutun, die ganze Nacht dieses ewige Gewimmere; ich verstehe den Chef nicht, ein Hardliner, aber wenn ich davon rede, dass ja noch der Hund da ist, dass er eine Gefahr ist, stellt er sich taub. Ständig geht er einem mit seiner Fragerei auf den Senkel, ob wir tatsächlich keine Spuren hinterlassen haben, ob uns jemand gesehen hat, er will jede Einzelheit wissen, um sicher zu gehen, dass keiner je erfahren wird, dass wir das Pack verschwinden lassen; ich sage ihm, da ist noch der Hund, der kann uns in eine brenzlige Lage bringen, ein Freund von ihnen kann den Hund erkennen und wir sind geliefert, und er tut nur so, als hätte er nichts gehört. Als ich erzählt habe, dass er die ganze Zeit nichts mehr gefressen hat, hat er mir
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