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K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

Titel: K. oder Die verschwundene Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Transit
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verstreichen, dann setzt die Sonne ihren Lauf fort; alles gerät in Bewegung; die Menschen gehen wieder ihrer Wege. K. rührt sich nicht von der Stelle; er fühlt sich sehr müde.

    Die Öffnung
    »Was könnten sie dir antun,
das sie nicht bereits getan hätten?«
Moses ben Jacob ibn Ezra
    I
    Mineirinho, hol mir doch mal den Fogaça aus dem Zellentrakt hoch. Ich hab eine kleine Aufgabe für diesen Ganoven, danach lass ich ihn frei. Sag in der Sicherungsverwahrung Bescheid, dass er raus kommt. Sag ihm, er soll sich fertig machen, seine Sachen packen. Diese Schurken glauben, ich hab Angst vor hohen Tieren. Hohe Tiere lassen mich absolut kalt. Ob’s dieser infame General Golbery ist, der sich jetzt bei allen lieb Kind macht, oder der Staatspräsident oder der Papst oder dieser widerliche amerikanische Senator, ich scheiß auf sie alle. Sie haben mir einen Freibrief erteilt, ich soll die Kommunisten kalt machen, oder etwa nicht? Ich habe sie kalt gemacht, oder etwa nicht? Die können mich mal. Was geht mich das an, ob der Alte mit dem Senator gesprochen hat und der einen Brief geschrieben hat, ob sie Druck machen – ob sie Druck machen, ist mir scheißegal.
    II
    Setz dich, Fogaça. Mann, setz dich endlich hin. Hör mir mal zu – warum zitterst du denn so? Hör auf zu zittern, du Schwachkopf. Du wirst mir einen kleinen Gefallen tun. Wenn du alles zu meiner Zufriedenheit erledigst, lass ich dich frei. Kapiert? Du wirst diesen Telefonhörer da abheben und ich gebe dir eine Nummer, es wird sich ein alter Knacker melden und du wirst deinen Namen sagen, nein, kein Problem, kannst deinen Namen ruhig nennen, sag ihm, du wurdest gerade aus dem Gefängnis des DOPS entlassen und du hast seine Tochter dort gesehen. Der Alte wird durchdrehen, wird Luftsprünge machen vor Freude, er wird dir ’ne Menge Fragen stellen, wie es seiner Tochter geht, du sagst gar nichts, nur, dass du sie gesehen hast und sie dir die Telefonnummer zugesteckt hat. Er wird dich treffen wollen, wird dich fragen, wo du bist. Die Sache ist folgende: Du sagst, du bist am ZOB, gleich neben dem DOPS, dass du vom Busbahnhof anrufst und in wenigen Minuten abfährst. Dass du nur das Geld für den Bus hast, nach Tatuí fährst, dass deine Familie in Tatuí lebt. Der Alte wird darauf bestehen, dich zu treffen, du sagst, das geht nicht, du musst weg. Dann wird er dir sagen, du sollst ein Taxi nehmen und zu ihm nach Hause kommen, er bezahlt das Taxi, oder er holt dich ab. Richte es so ein, dass er dich abholt. Sag, du wartest auf ihn vor der Apotheke neben dem ZOB. Aber er soll schnell machen. Frag ihn, was für’n Auto er hat. Hast du verstanden, du Hosenscheißer? Sieh zu, dass du das hinkriegst, dann kommst du hier raus. Wenn du Mist baust, bist du schneller zurück im Knast als du denken kannst. In Einzelhaft. Mineirinho, wähl mal die Nummer und gib ihm den Hörer rüber. Der Kerl zittert ja so stark, dass er nicht mal den Hörer halten kann.
    III
    Mineirinho, hast du gesehen, wie gut das mit Fogaça funktioniert hat? Aber nicht so, wie du glaubst, Mineirinho. Der Alte ist nicht gekommen, weil er uns auf den Leim gegangen ist, Mineirinho. Dieser Alte ist nicht doof. Er ist gekommen, weil er kommen musste. Er musste kommen, verstehst du? Das ist ja gerade der Witz an der Sache, Mineirinho, die Psychologie. Er musste kommen, auch wenn er kein Wort geglaubt hat. Und weißt du, warum? Weil er diesen Haifischen hinterherläuft, nach so langer Zeit, er will nicht akzeptieren, dass es mit seiner Tochter aus und vorbei ist. Er weigert sich. Deshalb klammert er sich an jeden Strohhalm, auch wenn er weiß, es ist eine Finte. Nicht hinzugehen, es nicht zu versuchen, das kann er nicht. Weißt du was, Mineirinho, da kommt mir gerade eine tolle Idee.
    IV
    Mineirinho, kannst du dich an den Alten erinnern, den wir fertig gemacht haben, als wir verlangt haben, Fogaça soll so tun, als ob er seine Tochter gesehen hat? Weißt du, dass dieser Alte nicht locker lässt? Da müssen wir uns was Besseres einfallen lassen. Such mal seine Adresse da raus, ich versuch den Rocha anzurufen, in Lissabon, es sind drei Stunden Zeitunterschied, es müsste noch klappen.
    V
    Hallo? Bin ich mit dem Konsulat verbunden? Geben Sie mir mal bitte den Rocha, sagen Sie, Fleury möchte ihn sprechen.
    Hey, Rocha, wie geht’s, wie steht’s? Alles klar? Ich will, dass du folgendes für mich erledigst. Besorg mal ’n paar von diesen Plakaten der Hauptleute da, von dieser komischen Nelkenrevolution, diesem

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