K
irgendwer was sagen?«
Es entsteht eine Pause, während alle darauf warten, dass Sophie das Wort ergreift: Serge, der Vater, Bodner, Miss Hubbard und Mr Clair. Widsun ist nicht mehr bei ihnen: Am Tag nach dem Historienspiel ist er abgereist. Einige Sekunden vergehen, dann wischt Sophie sich die Hände und antwortet: »Nein. Gehen wir.«
Doch als sie wieder draußen sind und die Tür hinter sich abgeschlossen haben, scheint sie ihre Meinung zu ändern. Sie bleibt stehen, dreht sich zum Vater um, zeigt auf die Krypta und fragt mit einem Lächeln: »Weißt du, was das jetzt ist?«
»Nein«, antwortet er. »Was denn?«
»Eine Katerkombe.«
»Eine Kater – was? ›Katerkombe‹? Ach so, ja«, erwidert Karrefax, »eine Katerkombe. Das ist gut. Wirklich gut.«
5
I
Das statische Rauschen klingt wie Denken. Nicht wie das Denken einer einzigen Person, nicht einmal wie das einer Gruppe, eines Kollektivs. Es klingt größer, weitläufiger – und direkter, als wäre es der Klang des Denkens selbst, sein Summen und Brausen. Jeden Abend, wenn Serge sich einschaltet, zuckt es aufjaulend zurück und rollt dann in knisternden Wellen wieder heran, die ihn mit sich davontragen, orientierungslos, bis sein Finger, mit dem er behutsam an der Einstellskala dreht, ersten Halt und so etwas wie Spielraum gewinnt. Die frühen Phasen klingen wütend, klagend, traurig – und sind immer stumm. Erst wenn er – zwischen ausgefransten Leitungsschnüren und verlöteten Kabeln über das Potenziometer gebeugt, sein kontrolliertes Atmen eine Verlängerung der Frequenz, auf der er sich bewegt – die ersten ruhigen Klicks einfängt, beginnen sich Worte zu formen: Anfangs kritzelt er die Signale, lange und kurze, in geraden Bleistiftreihen auf, dann beginnt er, sie, gleich darunter, in krakelige Buchstaben zu übertragen, undeutlich und körnig im Bogenlicht der Schreibtischlampe …
Er hat zwei Masten aufstellen lassen, einen sieben Meter hohen Kiefernmast mit zusätzlichen fünf Metern Bambusstange, verbolzt mit einem halb im Mosaikgarten vergrabenen Eichenstumpf. Rundherum stecken Heringe im Boden, an denen stählerne, doppelt isolierte Spannseile befestigt sind, die den Mast halten. Eine Einmeterstange am Schornstein des
Haupthauses erreicht dieselbe Höhe wie der Bambus. Zwischen den Masten sind vier, durch Kreuze aus Eichenlatten gezogene Achtzehner-Mangan-Kupferdrähte gespannt. In Serges Schlafzimmer steht ein Kasten mit einer Abstimmspule aus sieben Meter seidenumwickeltem Platinoiddraht, mit Schellack überzogen, die Isolierung abgeschabt. Auf dem Deckel der Kiste sind zwei Wählscheiben angebracht, direkt in der Mitte eine große mit Uhrzeigern und rechts davon eine kleinere Scheibe aus Eschenholz, rückseitig versenkt und vorn bestückt mit zwanzig kleinen, abgeflachten, kreisförmig angeordneten und an Kippschalter erinnernden Schrauben. Das Messing des Detektorenempfängers mit einem Stellknopf aus Hartgummi; der Murdock-Kondensator; der Kristall-Detektor aus chilenischem Gelina-Quarz, über Mighty Atom-Versandhandel bei Gamage in Holborn bestellt. Was das Telephon angeht, hatte er es anfangs mit einem handelsüblichen Gerät versucht, musste aber bald feststellen, dass der Apparat nur zu gebrauchen war, wenn er die Membrane austauschte, weshalb er zu einer Anlage mit eigens verstärkter Kapsel wechselte, die er zudem mit einem Widerstand von achteinhalbtausend Ohm koppelte. Die Morsetaste selbst ist aus Standardmessing; ein zehn Zentimeter langer Hebel sorgt dafür, dass Serges Finger sicheren Abstand zur Funkenstrecke einhält. Bei jedem Tippen blitzt ein blauer Funke auf und rotzt dabei ein so lautes Geräusch aus, dass Serge seine kleine Empfängerstation mit Dämmwänden isolieren musste, damit sie nicht das ganze Haus weckt. Und wie ihm mit jeder Sitzung am Gerät deutlicher wird, sorgt er so auch dafür, dass der kleine Haushalt nicht die Illusion verliert, vom weiten Meer der Übertragungen isoliert zu sein, die ihn von allen Seiten umtosen.
Wie an den meisten Abenden beginnt er auch heute im Nahbereich und sucht den Äther auf einen Wellenbereich von zweihundertfünfzig bis vierhundert Metern ab. Es herrscht
der übliche Funkverkehr: CQ-Signale von experimentellen Drahtlosstationen in Masedown und Eliry, die ihre Rufzeichen aussenden und dann in den Q-Kode wechseln, sobald ein anderer Funkamateur antwortet. Sie tauschen Berichte über Signalqualität aus, vergleichen Geräte und Ausstattung, fragen nach
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