K
ihr kniend, zieht er sich selbst aus, nimmt den Penis in die rechte Hand, führt ihn von hinten unter sie, in sie ein, während er sich mit der Linken am buckligen Kreuz festhält. Die gutturalen Laute aus ihrem Hals werden stärker, ihre erdigen Düfte kräftiger, schärfer. Serge schließt die Augen und sieht aus irgendeinem Grund die Murmelaugen des ausgestopften Spitalfield vor sich, sein gefurchtes Fell. Er schlägt sie wieder auf, schaut hinab und sieht die Erde zwischen Tanias Fingern hervorkrumen, dort, wo sich ihre Hände darin verkrallen. Er fährt mit der Hand über ihren Rücken, so fest, dass seine Nägel die Haut aufkratzen, und stößt dabei so brutal zu, wie er es bei Tieren, bei Insekten gesehen hat. Ihre Schenkel erwidern seine Stöße, ziehen ihn tiefer hinein. Wieder schließt er die Augen und spürt, wie sich in seinem Bauch ein Brennen ausbreitet.
»Giftbeeren«, sagt er leise, kaum hörbar.
Das Wort schwebt in einer kleinen Wolke Atemgas über Tanias Haut, dehnt sich aus und verflüchtigt sich. Auch das Brennen dehnt sich aus, genau wie der Wein, wächst über seinen Körper hinaus, immer weiter, füllt die Senke, das Land dahinter, zieht sich über den Brandschutzstreifen hinaus zu den Wäldern auf beiden Seiten. Nicht aus ihm und nicht aus Tania, sondern offenbar aus der Nacht selbst bricht ein Schrei oder das Echo eines Schreis hervor, und mit ihm wird ein zweiter, ungeheurer Laut hörbar, ein Laut, als zerreiße Stoff. Jetzt schlägt Serge die Augen auf, und der gazehafte Flor, der ihm so lange den Blick verschleierte, ist fort – vollständig verschwunden, so als wäre eine Blase geplatzt, als hätte eine
Membran sich zersetzt. Auch die Oberflächen der Erde, der Wälder und Wolken sind verschwunden wie eingefahrene Schirme, Behinderungen, die seinen Blick verstellten, sodass nur ein Hohlraum bleibt – nicht jener der Senke, sondern jener des Raumes selbst: ein endloser Raum, in dem er jetzt mit durchdringender Schärfe sehen kann. Dunkelheit ist, was er sieht, aber er sieht sie.
ZWEI
K rieg
7
I
Umschlossen erst von Messing, dann von Mahagoni, ruckt der stählerne Zeiger der großen Wanduhr weiter und schiebt seine Spitze in die Lücke zwischen dem X und dem ersten I von XII. Der Aufsichtslehrer kündigt an: »Sie dürfen nun beginnen.«
Als wären sie nichts als die Verlängerungen von Federn, Antriebsketten und Gangrädern, langen achtunddreißig linke und zwei rechte Unterarme über den Tisch und drehen das Deckblatt des Prüfungsbogens für Allgemeinwissen der Schule für Militärische Aeronautik um. Serge, der vier Tische von der ersten Reihe entfernt direkt am Fenster sitzt, liest:
1. Was verursacht eine Finsternis a) der Sonne, b) des Mondes? Führen Sie aus, wie es in letzterem Fall um den Mond bestellt ist.
Er lächelt, greift ohne zu zögern zum Stift und beginnt zu schreiben: »Zu Eklipsen kommt es, wenn zwei Himmelskörper in linearer Reihung zu einem Stern stehen, sodass der eine die Ebene zwischen …« Er hält inne, dreht den Stift um, radiert die letzten sieben Worte wieder aus und schreibt dann: »…sodass der Himmelskörper, der dem Stern am nächsten steht, einen Schatten auf den entfernten Planeten wirft. Dies wird auch Syzygium genannt.«
Er schreibt jeden Buchstaben von »Syzygium« separat und genießt die vokallose Buchstabenhäufung zu Beginn des Wortes.
»Also…«, fährt er fort, »… wirft der Mond während einer Sonnenfinsternis einen Schatten auf die Erde, vice versa in einer Mondfinsternis. Dieser Schatten wird unterteilt in umbra (totale Verfinsterung), penumbra (partielle Verfinsterung) und antumbra (wenn der Schatten auf der Sonne ruht wie eine dunkle Pupille in einem hellen Auge).«
Er lehnt sich zurück, legt den Stift hin und schaut aus dem Fenster. Mauertürmchen und schmiedeeiserne Wetterhähne prägen Oxfords Silhouette. Weiter unten, außerhalb seines Blickfeldes, klappert und klingelt ein Fahrrad über das Kopfsteinpflaster. Serge wendet sich wieder dem Prüfungsbogen zu und liest noch einmal den zweiten Teil der Frage. Dann schließt er die Augen, denkt einen Moment nach, lässt nach dem zuvor geschriebenen Abschnitt eine Zeile frei und schreibt: »Dunkel.«
Für die Beantwortung der nächsten Frage muss er Bögen und Tangenten zeichnen sowie deren Längen und Winkel berechnen. Er öffnet seine Federmappe, nimmt einen Kompass und ein Lineal heraus und macht sich ans Werk. Die dritte Frage lautet:
3. Welche
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