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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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er.
    »Cystenwein?«, fragt sie.
    »So ähnlich hat er ihn genannt, mehr oder weniger.«
    »Ist sehr gut.«
    »Wir könnten ihn zusammen trinken«, sagt er, »wenn Sie heute Abend kommen.«
    »Gut«, antwortet sie, »ich komme.«
    Zu seiner Überraschung kommt Tania tatsächlich. Sie treffen sich auf dem Wehr und schlendern zur Bank auf der anderen Seite, am Kraftwerk vorbei. Serge kann Leute im Gebäude erkennen, könnte aber nicht sagen, ob sein spendabler Wohltäter darunter ist. Sie gehen an der Nebenstation vorbei zu den Feldern. Die Soldaten sind fort; die ganze Gegend wirkt leer – selbst der Zug neben den knapp einen halben Kilometer entfernten Erdhügeln steht verlassen da; sicher sitzt der Lokführer mit den Schauflern und Soldaten,
den Musikpavillonstreichern und Speisesaalrenovierern in einer der Kneipen in der Stadt. Serge hat den Kystenwein mitgebracht, auch einen aus der Hotelküche geliehenen Korkenzieher. Er wirft einen Blick zu Tania hinüber und fragt sich, ob er die Flasche jetzt aufmachen soll. Sie scheint es nicht gerade kaum erwarten zu können. Ihre Augen, in der Dämmerung noch dunkler als gewöhnlich, blicken unbestimmt in Richtung Wald. Ein Weg führt dorthin; sie folgen ihm. Nach einer Weile hört der Wald auf, und ein offener Streifen – als Ackerfläche zu klein – öffnet sich zwischen ihnen und dem nächsten Waldgebiet.
    »Gegen Feuer«, erklärt Tania – ihre ersten Worte, seit sie losgelaufen sind.
    »Als käme es in dieser Stadt auf eine Katastrophe mehr oder weniger an«, murmelt Serge.
    Sie gibt keine Antwort. Rechts von ihnen, mitten im Brandschutzstreifen, ist eine kleine Senke, eine Art Ministeinbruch, und dort, wo die Erde abgetragen wurde, ist der schwarzerdige Boden so geformt, dass man an Sessel denken muss.
    »Wollen wir uns da nicht hinsetzen?«, fragt Serge.
    Tania zuckt die Achseln.
    Sie gehen zur Senke, setzen sich und lehnen sich an den Muldenrand. Serge holt den Korkenzieher aus der Tasche und macht die Flasche auf.
    »Ich habe leider keine Gläser mitgebracht«, sagt er.
    Tania nimmt ihm die Flasche aus der Hand, legt den Kopf in den Nacken und trinkt. Die Flüssigkeit wirft einen tiefroten Schatten auf ihren Hals. Sie reicht ihm den Wein zurück. Er setzt die Flasche an die Lippen – und schmeckt Tanias warmen, bitteren Speichel. Den Wein selbst schmeckt er erst weiter hinten, tief in der Kehle. Auch er ist bitter auf eine satte, schmutzige Art.

    »Schmeckt anders als der Wein, den ich am ersten Abend hatte«, sagt er. »Mein Lehrer meint, der sei gut für meine Verdauung, aber Dr. Filip lässt ihn mich nur trinken …«
    »Warum Sie allein mit Lehrer gekommen?«, unterbricht ihn Tania. »Warum nicht auch mit Eltern?«
    »Sie haben zu tun, genau wie Sie.«
    »Müssen sich um Geschwister kümmern?«
    »Nein«, erwidert Serge. »Ich habe keine. Ich hatte eine Schwester, aber jetzt nicht mehr.«
    »Sie ist gestorben?«, fragt Tania. Serge nickt. »Wie?«
    Serge denkt einen Moment über die Frage nach und sagt dann: »Sie ist von hoch oben gefallen und unglücklich aufgeschlagen.«
    Tania greift nach der Flasche und nimmt noch einen Schluck. Kaum setzt sie ab, trinkt Serge wieder. Vom Wein wird ihm warm; er fühlt eine seidige Hitze in seinen Bauch, in Arme, Beine und Kopf ziehen. Tania greift erneut nach der Flasche, trinkt diesmal in langen, tiefen Schlucken. Er macht es ihr nach. Einige Tropfen rinnen ihr aus den Mundwinkeln, tröpfeln über das Kinn und fallen auf die Bluse. Serge streckt die Hand aus und zieht einen feuchten Film vom Kinn über ihre Wangen. Sie hält ihn nicht davon ab, reagiert auch sonst nicht. Ihr Blick, glasig wie immer, starrt durch ihn hindurch auf die schwarze Erde. Er legt die Lippen an Tanias Gesicht und leckt den Wein ab. Gleich neben seinem Ohr entweicht ihrem Hals ein tiefer, gutturaler Laut von derselben Art und Tonhöhe wie eine niederfrequente Funkwelle, und er spürt den erdigen Duft von ihrem Körper aufsteigen – aus allen Winkeln, Enklaven, Löchern. Er zerrt an der Bluse; da er auf keinen Widerstand trifft, zieht er sie aus, ebenso macht er es mit Rock und Unterwäsche.
    »Dreh dich um«, sagt er. »Ich will deinen Rücken sehen.«

    Sie dreht sich um. Da ist es, direkt vor seinen Augen, das krumme Kreuz, ihr Buckel, der unter den Schultern aufragt wie ein Grat, Täler zu beiden Seiten, von Knochen unter der Haut geprägte Fleischrillen. Er berührt die Krümmung, fährt mit den Fingern die Rillen auf und ab. Noch hinter

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